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Zwischen Bedrohung und Verantwortung

■ Erklärung von Gerd Nowakowski: Meine Aussagen bei der Polizei bezogen sich nicht auf journalistische Erkenntnisse

Anfang August letzten Jahres flogen wegen eines von mir geschriebenen Kommentars Steine gegen mein fahrendes Auto; in der selben Nacht zündeten Unbekannte meinen Keller an. Ich bin nach den Steinewürfen nicht zur Polizei gegangen und habe auch keine Anzeige gegen beteiligte Menschen gestellt. Eineinhalb Monate später bin ich von der Kripo im Zusammenhang mit den „Maxwell“–Ermittlungen vorgeladen worden, weil mein Name dabei immer wieder erwähnt wurde. Ich wäre einer solchen Vorladung nicht gefolgt, wenn ich vorher erkannt hätte, daß sich das Interesse der Polizei auf Vorgänge bezog, mit denen ich beruflich beschäftigt war, oder auf Themen, wo ich meine Kenntnisse aus meiner journalistischen Arbeit gewonnen hätte. Eine solche Zusammenarbeit lehne ich ab, wie auch die taz eine solche Stellungnahme immer vehement abgelehnt hat, auch wenn Innensenator Kewenig dies für einen „normalen“ Vorgang hält. Eine solche Zusammenarbeit stellt den Informantenschutz und damit eine unabhängige Berichterstattung der Presse grundsätzlich in Frage. Ich erkannte damals die Problematik meiner Aussage bei der Polizei nicht, weil sich die Vernehmung zunächst auf einen Gegenstand bezog, von dem ich persönlich betroffen war. Für mich ging es um meine eigene bedrohliche Situation. Denn auch nach den Steinwürfen und dem Brand hatte sich das Klima der Bedrohung nicht beruhigt, zumal auch die taz diese Anschläge nicht verurteilte noch Schutz anbot. In Flugblättern nach den Steinwürfen als auch in Flugblättern nach dem Anschlag auf das „Maxwell“ wurde mein Name mehrfach genannt. In den Wochen vor meiner Vorladung gab es immer wieder Drohungen gegen mich; persönlich, telefonisch oder auch per Post - so auch am Tage vor meiner Vernehmung. Demzufolge betraf der größte Teil der Aussage auch meine eigene Person, allerdings versuchte die Polizei mich ständig auch nach Vorgängen um das „Maxwell“ zu befragen. Ich machte den Fehler, allgemeine Gerüchte dort wiederzugeben. Dieser Komplex macht nur den kleinsten Teil - nämlich einen Absatz im dreiseitigen Text - des Protokolls aus. Der Rest handelt ausschließlich von den Steinwürfen und der Brandstiftung. Ich habe in dieser Vernehmung gesagt, und das ist auch so proto kolliert, daß ich bezogen auf das „Maxwell“ keine Tatsachen mitteilen konnte, sondern lediglich Gerüchte wiedergegeben habe. Ich habe ausdrücklich keine Strafanzeige im Zusammenhang mit den Steinwürfen erstattet. Mir ging es ausschließlich um meinen eigenen Schutz. Dies war auch der Grund für die Identifizierung einer Person, die mich bedroht hatte. Ich war daneben der Meinung, daß mit der Brandstiftung in meinem Keller, bei dem unbeteiligte Menschen gefährdet wurden, Grenzen der Auseinandersetzung überschritten waren. Hier handelte es sich um einen Anschlag, der mit politischen Kontroversen nicht mehr entschuldigt werden kann. Deswegen habe ich in diesem Fall und vor dem Hintergrund der andauernden Bedrohung wäh rend der Vernehmung Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Lediglich ein aus dreizehn Zeilen bestehender Absatz beschäftigt sich mit dem „Maxwell“–Anschlag, der kurze Zeit vor meiner Vorladung stattfand. Mit der Berichterstattung zum „Maxwell“– Anschlag war ich nicht befaßt, konnte deshalb auch keine Erkenntnisse aus journalistischer Recherche weitergeben. Im Protokoll sind deshalb nur Dinge aufgetaucht, über die zum damaligen Zeitpunkt bereits vielfach in der taz und anderen Medien berichtet wurde und die allgemein bekannt waren. Die Polizei hat bei der Vernehmung ein deutliches Interesse an einer im Kiez bekannten Person ausgedrückt. Dieser Name und Foto wurde mir immer wieder vorgelegt, zu dieser Person wurden polizeiliche Kenntnisse vorgebracht, dieser Name wurde mehrfach ins Protokoll eingebracht. Ein Blick in dieses vollständige Vernehmungsprotokoll, welches in SO 36 sicher in zahlreichen Kopien zirkuliert, kann meine Darstellung bestätigen. Menschen, die der Überzeugung sind, man gehe in keinem Fall zur Polizei, wird diese persönliche Erklärung dennoch nicht überzeugen. Diese politisch motivierte Haltung akzeptiere ich. Sie läßt aber die Situation meiner persönlichen Bedrängnis und Bedrohung außer acht. Ich würde mir wünschen, daß künftig Konflikte in der Scene in Kreuzberg und anderswo ohne Bedrohung und körperliche Angriffe ausgetragen werden. Dann hat die Polizei in solchen Konflikten nichts verloren. Gerd Nowakowski

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