: 40 Jahre Apartheid - und kein Ende in Sicht?
■ Im Mai 1948 überraschend an die Macht gekommen, hat die rassistische Nationale Partei Südafrikas Zug um Zug die Apartheid verschärft und bis heute aufrechterhalten
Aus Johannesburg Hans Brandt
„Jetzt ist ein Kaffer wieder ein Kaffer!“ Mit diesen Worten begrüßte ein weißer Arbeiter im Mai 1948 den überraschenden Wahlsieg der Nationalen Partei (NP) in Südafrika. Daniel F. Malan, erster NP–Premierminister, jubilierte am 26. Mai 1948 etwas gepflegter: „Heute gehört Südafrika wieder uns. Gott gebe, daß es immer so bleibe.“ Tatsächlich „gehört“ Südafrika auch nach 40 Jahren noch den Buren. Doch der Widerstand der Schwarzen hat die Apartheid–Regierung inzwischen ins Schwanken gebracht. Den Sieg verdankte die NP dem südafrikanischen Direktwahlsystem. Obwohl sie nur 40 Prozent der Stimmen für sich gewinnen konnte - während die Vereinigte Partei (UP) unter General Jan C. Smuts 50 Prozent erreichte - hatte die NP im Parlament dennoch eine Mehrheit von fünf Mandaten. Die burische Partei verlor keine Zeit, ihre Machtstellung zu festigen und das schon seit den dreißiger Jahren von burischen Intellektuellen entwickelte System der Rassentrennung einzuführen: die Apartheid. Schon im August 1948 wurden Züge nach Rassen getrennt. Ehen zwischen Weißen und Schwarzen wurden 1949 verboten und 1950 folgte die Klassifizierung aller Südafrikaner in gesetzlich festgelegte Rassengruppen und die Trennung von Wohnge bieten nach Rassen. Der Afrikanische Nationalkongreß (ANC), schon 1912 als Organisation eines heranwachsenden schwarzen Mittelstandes gegründet, wurde dadurch radikalisiert. Die wachsende schwarze Arbeiterklasse in den Städten und die Gründung der ANC–Jugendliga 1944 mit dynamischen Führern wie Oliver Tambo, Nelson Mandela und Walter Sisulu trugen dazu bei. Statt der bisherigen Versuche, bei den weißen Führern für Verbesserungen zu plädieren, beschloß der ANC 1949 ein „Aktionsprogramm“, das Boykotte, zivilen Ungehorsam und landesweite Protestaktionen vorsah. Die NP–Regierung sah dem nicht untätig zu. 1950 verabschiedete sie das „Gesetz zur Unterdrückung des Kommunismus“, in dem „Kommunismus“ unter anderem als eine „Doktrin“ definiert wird, die „politische, industrielle, soziale oder wirtschaftliche Veränderungen durch die Föderung von Unruhen zum Ziel hat“. Damit war auch der keineswegs kommunistische ANC gemeint. Infolge dieses Gesetzes wurden Versammlungen verboten und Apartheid–Gegner verbannt. Seitdem hat sich das Muster der verschärften Proteste, auf die die Regierung mit verschärften Repressionen reagiert, in Südafrika gefestigt. Tausende beteiligten sich 1952 an der „Defiance Campaign“, indem sie absichtlich gegen rassistische Gesetze versties sen und sich verhaften ließen. Neue Sicherheitsgesetze, darunter das „Gesetz zur öffentlichen Sicherheit“, das die Verhängung des Ausnahmezustandes zuließ, drohten daraufhin mit schweren Strafen für zivilen Ungehorsam. Dennoch nahmen die Proteste zu. Im März 1960 protestierten Tausende nach Aufrufen des ANC und des 1958 gegründeten Pan– Afrikanischen Kongresses (PAC) gegen die verhaßten Paßgesetze, die die Bewegungsfreiheit von schwarzen Südafrikanern stark einschränkten. Dabei wurden am 21. März in Sharpeville 69 Schwarze von der Polizei erschossen. Eine Woche später verabschiedete die Regierung das „Gesetz über Illegale Organisation“, verbot ANC und PAC und verhängte den Ausnahmezustand. Beide Organisationen gingen in den Untergrund und begannen 1961 mit dem bewaffneten Kampf. Nach den Protesten der fünfziger Jahre hatte die NP fast 15 Jahre Ruhe. Sie nutzte die Zeit zum Ausbau der „großen Apartheid“, der Einteilung des Landes in Reservate für verschiedene schwarze Stämme und der Zwangsumsiedlung von Schwarzen in diese Gebiete. Anfang der siebziger Jahre kam es wieder zu Streiks schwarzer Arbeiter. Und im Juni 1976 explodierte Soweto. Die Aufstände wurden blutig unterdrückt. Mehr als 570 Menschen kamen ums Leben. Das Verbot von 19 Anti– Apartheid Organisationen im Oktober 1977 schaffte wieder Ruhe. Premierminister John Vorster erkannte, daß die Apartheid nach altem Muster nicht mehr durchführbar war. Er begann mit ersten, vorsichtigen Reformen. Diesen Kurs hat sein Nachfolger Pieter W. Botha mit Nachdruck fortgesetzt. Doch Reformen haben keine Ruhe gebracht. Tausende kamen in den Protesten von 1984 bis 1986 ums Leben. Der Ausnahmezustand ist inzwischen fast zwei Jahre alt und wird in zwei Wochen um ein weiteres Jahr verlängert werden. Doch der Widerstand organisiert sich neu. „Es gibt nichts zu feiern. 40 Jahre der NP–Regierung haben das Land zerstört“, heißt es in einer letzte Woche veröffentlichten Erklärung der Gewerkschaftsföderation COSATU. „Nichts wird uns davon abhalten, ein nicht–rassistisches, demokratisches Südafrika frei von Unterdrückung und Ausbeutung zu erreichen.“
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