Zwischen East and West Besenritt der kalifornischen Hexe Starhawk durch Raum und Zeit

Zwischen East and West

Besenritt der kalifornischen Hexe „Starhawk“ durch Raum und Zeit

Versunken ein gerade gelerntes Liedchen vor sich hin summend, taumelten am Samstag 250 Menschenkinder, die meisten von ihnen Frauen, in die laue Nacht. Eher ratlos hatte „Starhawk“ sie nach Hause geschickt, nach einer der letzten jener Veranstaltungen, mit denen den Berlinern „Bewußt Sein 88“ beigebracht werden sollte. Angekündigt war mit „Starhawk“ eine Vertreterin des Hexenkultes, Friedenskämpferin, Feministin und Psychotherapeutin, deren kalifornische Praxis „auch das Dunkle einschließt“.

Dunkel blieb jedoch während des zweistündigen Diavortrags die Message der Amerikanerin. Ein geistiger Besenritt durch „Raum und Zeit“ stand an, für den jede VHS vielwöchige Vortragsreihen ansetzen würde, um die zivilisationsgeschädigten Westmenschenhirne nicht zur Implosion zu bringen; ein Sightseeing-Trip durch Höhlen, die vor 25.000 Jahren schon mit „Symbolen der Göttin“ bemalt worden waren. Wenn „die Göttin“ besonders hoch geschätzt wurde, hatte sie nicht nur zwei, sondern Unmengen von Brüsten. Auch die penisförmige Ausprägung ihres Halses gilt als Zeichen für jene Zeit, in der die Menschen sich noch nicht im Geschlechterkampf befanden.

Der Weg zurück in jene Zeit, als die Dinosaurier schon tot und die AKWs noch nicht gebaut waren, führt, wie „Starhawk“ bereits am Ende der sechziger Jahre erkannt hatte, über „das Ritual“. Mit einer Gruppe, die sich im Glauben an „die Göttin“ zusammengefunden hatte, begann sie das Studium der Rituale bei „erfahrenen Hexen“, lernte zunächst das „gegenseitige Namensingen“. Doch mit Reagan kam „political despair“ über sie, man erfand ein „Reinigungsritual“, bei dem der Frust in Salzwassergefäße gesprochen wird.

Es funktionierte, wie alle Rituale, denn danach fühlte man weniger „despair“ und beteiligte sich an einer Kampagne gegen ein Atomkraftwerk, das sinnigerweise im „Diablo -Canyon“ steht. Der Versuch, das Kraftwerk wegzuhexen, mißlang, doch wurde bei der Blockade „viel lebendige Energie kreiert“. Seitdem blicke man in California voller Spannung auf die Bundesrepublik - wegen der „Greens“. In guter Kennedy-Tradition befand „Starhawk“ schließlich, in Berlin, mitten in der „dynamischen Polarität zwischen East and West“, sei das Leben spannender als in Kalifornien, allerdings sei auch alles viel kaputter, so daß dringend eine Hexenpartei gegründet werden müsse. Um den Prozeß zu beschleunigen, brachte sie uns ein Liedchen bei: Mit für die wuchtige Frau überraschend dünnem Stimmchen, sich selbst dumpf auf Bongos begleitend, sang sie: „Wir sind die Kraft in allem...“ Einige summten mit.

Warum sie sich „Starhawk“ nennt, wo dieser Name doch eher an Luftschlacht als an Rituale erinnert, habe ich mich zu fragen nicht getraut. Ich fürchtete, sie finge wieder an zu singen.WvB