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Rollstühle immer schneller

■ Mehr Training und leichtere Geräte: Neuer Marathon-Rekord in 1:39:31 Stunden

Rollstühle immer schneller

Mehr Training und leichtere Geräte: Neuer Marathon-Rekord in 1:39:31 Stunden

Von Werner Schneider

Schenkon/Schweiz (taz) - „Das schnellste Rennen aller Zeiten war dieser Marathon“, freute sich Wolfgang Petersen aus Bammental als 16. im Ziel des 2.Internationalen Rollstuhlmarathon rund um den Sempacher See. Dieses Rennen zeichnete sich durch etliche Superlative aus. Nicht nur die neue Weltbestzeit durch Mustapha Badid, einen 23jährigen Beinamputierten aus Frankreich. Er brauchte für die 42,2 km lange Strecke 1 Stunde, 39:31 Minuten. Damit verbesserte er seinen vor acht Wochen in Boston aufgestellten Rekord um glatte vier Minuten. Allein zwölf Fahrer hatten die alte Bestzeit von 1:43:19 im Ziel unterboten. Markus Pilz aus Siegen stellte dabei mit 1:40:23 einen neuen deutschen Rekord auf.

Aber nicht nur die Bestzeitfahrer waren glücklich über ihr tolles Rennen; auch viele andere haben sich im Vorfeld zur „Paralympics“ im Oktober in Seoul enorm steigern können. Der Marathon um den Sempacher See ist, obwohl erst zum zweiten Mal gestartet, bereits ein fester Begriff für die WeltathletInnen im Rollstuhl. „Wir sehen uns bestimmt in zwei Jahren wieder hier“, war der einheitliche Tenor im Ziel. Denn bei diesem Rennen stimmte einfach alles. Der Kurs um den See wird zweimal gefahren und ergibt eine meist flache, durch zwei kräftige Anstiege unterbrochene Strecke. Der Belag ist schnell und bevorteilt alle, die keine Berg und Kletterspezialisten sind. Das aber reicht nicht aus, daß dieses Rennen so große Resonanz gefunden hat. Erst die vorzügliche Organisation durch den Schweizer Paraplegikerverband und die kleine Gemeinde Schenkon haben das Umfeld der Veranstaltung so gestaltet, daß es die gesamte Weltelite zum Rennen zieht. Es gab noch nie ein so gut besuchtes Feld wie beim diesjährigen Marathon; fast 200 FahrerInnen aus 19 Ländern sind angetreten, darunter auch einige aus den USA, Kanada, Japan und Australien. Unter ihnen natürlich auch die Profis des Metiers (rund 15 soll es in den USA geben), die ohne Startgelder nicht mehr in den Rollstuhl steigen. Geht es nach dem Willen vieler FahrerInnen, dann wird in Zukunft nicht mehr die Behinderung das Kriterium für die Teilnahme sein. Immer mehr streben Nichtbehinderte in die Sportgeräte, wie der Holländer Kees van Breukelen, der immerhin 18. wurde.

Zur Leistungssteigerung kommt es nicht zuletzt durch die Verbesserung der Rollstühle in den vegangenen Jahren. Etliche Aktive sind mit der Konstruktion neuer Stühle befaßt, das Material wird immer leichter, und die Sitz- und Balance-Eigenschaften ermöglichen es immer mehr Menschen, diese lange Strecke zu bewältigen.

Beim Marathon fällt die Leistung der Hochgelähmten, der Tetraplegiker, besonders auf. Diese auch im Armbereich Gelähmten fahren die Marathondistanz erst seit einigen Jahren, und ihr Bester, der Wieslocher Heini Koeberle, benötigte keine drei Stunden.

Das Feld der Frauen ist noch klein, ganze sieben Starterinnen waren in Sempach. Schnellste war die Dänin Connie Hansen, die eine Zeit von 2:07:10 fuhr, fünf Minuten langsamer war Margit Quell aus Mammendorf. Neben dem Marathon wurde noch die Halbdistanz gefahren, die der Holländervan Breemen gewann. Der Spitzenathlet der Hochgelähmten, Hanns Lübbering aus Lobbach, hatte die Nase mit 1:17:16 deutlich vorn.

Der Sempacher Marathon war kein Rennen allein, es war ein gesellschaftliches Ereignis. Die kleine Gemeinde mit 1.800 Einwohnern hat ihren BürgerInnen motiviert und ein Rahmenprogramm geboten, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft war Trumpf. Ein perfekter Programmablauf ohne Hektik und Aggression lädt viele TeilnehmerInnen ein, noch einige Tage Urlaub anzuhängen. Das überaus spannende Rennen hat sicherlich einen großen Werbewert für diese aufstrebende Sportart gehabt.

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