Stromverbund 1992: AKW-Stromhalde Berlin

■ Eine Milliarde Kilowattstunden will der bundesweit größte AKW-Betreiber Preußen Elektra ab 1992 an die Bewag verkaufen / Kritiker: Entladung westlicher Kapazitäten führt zu künstlicher Steigerung

Stromverbund 1992: AKW-Stromhalde Berlin

Eine Milliarde Kilowattstunden will der bundesweit größte

AKW-Betreiber „Preußen Elektra“ ab 1992 an die Bewag

verkaufen / Kritiker: Entladung westlicher Kapazitäten führt zu künstlicher Steigerung des Berliner Stromverbrauchs /

Senatskonzept ad absurdum geführt

Ein „Stromverbund“ ist das, was die Bewag, der westdeutsche Energiekonzern Preußen-Elektra und die DDR-Außenhandelsfirma Intrac am 7. März aushandelten, eigentlich nicht. Was sie vereinbarten, sind nur einseitige Stromlieferungen: von der Preußen-Elektra an die DDR und nach West-Berlin. Je eine Milliarde Kilowattstunden will die Preußen-Elektra ab 1989 der DDR, ab 1992 dann auch an die Bewag verkaufen - dann, wenn die Stromtrasse von Helmstedt über Magdeburg bis nach West-Berlin fertiggestellt ist.

Als einen „Blitzableiter zum Entladen westlicher Überkapazitäten“ hat die 'Zeit‘ den Stromverbund bezeichnet, und ähnlich lautet auch die Kritik der Berliner Energie -Initiativen, die sich im „Energiepolitischen Ratschlag“ zusammengeschlossen haben. Ihr Hauptargument: Die Stromlieferungen schaffen eine „neue Daseinsberechtigung für die westdeutschen Atomkraftwerke“. Mit einem Dreiviertel -Anteil von AKWs an der Stromerzeugung ist die Preußen -Elektra der größte bundesdeutsche Atomkraftwerk-Betreiber.

Die andere Seite der Medaille sei ein prognostizierbares Überangebot in West-Berlin, analysieren die Kritiker. Die geplanten Stromlieferungen entsprechen zehn Prozent des Berliner Verbrauchs. Energiesparkonzepte haben keine Chance mehr, fürchten die Bürgerinitiativen, die Bewag komme in die Versuchung, den Strombedarf künstlich zu steigern, etwa durch die Propagierung von Nachtstromspeicheröfen. Denn eigentlich sollte ja schon Reuter-West die Berliner endgültig mit ausreichend Kraft aus der Dose versorgen, so jedenfalls argumentierte die Bewag bisher.

Mit Überflußstrom und Dumpingpreisen würden dagegen jetzt alternative Energieerzeuger, etwa gasbetriebene Blockheizkraftwerke „zur Unwirtschaftlichkeit verdammt“, so die Angst der Bewag-Kritiker. Die westdeutschen Stromlieferungen, kritisieren die Initiativen, führten zudem das offizielle Senatskonzept ad absurdum, kritisieren die Initiativen, das die Koppelung von Stromerzeugung und Abwärmenutzung propagiert: In Westdeutschland erzeugter Strom läßt keine Abwärme für Berlin übrig. Im Gegenteil: Der Umweltexperte der Alternativen Liste, Thomas Schwilling, rechnet vor, daß pro hundert Kilometer Fernleitung 1,5 bis 6 Prozent des transportierten Stroms durch Wärmeabgabe verloren gehen.

Die Bewag weist diese Kritik zurück: Der noch nicht geschlossene Liefervertrag mit der Preußen-Elektra soll laut Bewag-Sprecher Möller nur zum Ziel haben, eine „mitlaufende Reserve“ zu erhalten. „Da fließt ja nicht permanent Strom“, verspricht Möller. Dagegen könnten Ausfälle von Kraftwerken schnell ausgeglichen werden. Außerdem: zum Teil uralte Kraftwerke könnten dank des West-Stroms „in zehn bis zwanzig Jahren“ vom Netz genommen werden, etwa das in den zwanziger Jahren erbaute Werk Charlottenburg.

Doch da die Alliierten darauf bestehen, Berlin autark zu halten, müßten dann auch Ersatzkapazitäten geschaffen werden: Ein neues Kraftwerk in Charlottenburg ist bei der Bewag - inoffiziell - schon geplant. Für den Fall, daß die Lieferungen aus dem bundesdeutschen Westen aussetzen, hält die Bewag ohnehin ihre rasch zuschaltbaren Anlagen für die Spitzenlast vor. Und: auch die Bewag verteidigt den „Stromverbund“ mit dem Argument eines „wachsenden Bedarfs“.hmt