: Abrüstung auf deutschem Boden weiterführen
■ Wladimir Markow, Kommentator bei der Nachrichtenagentur Nowosti in Moskau, zu den Folgen des Gipfels
I N T E R V I E W Abrüstung auf deutschem Boden weiterführen
Wladimir Markow, Kommentator bei der Nachrichtenagentur
Nowosti in Moskau, zu den Folgen des Gipfels
taz: Bei den START-Verhandlungen war doch vor dem Gipfel alles festgefahren. Warum ist man da jetzt vorangekommen?
Markow: Gorbatschow legt großen Wert darauf, das Abkommen noch mit Reagan unter Dach und Fach zu bringen. Die Amerikaner haben bei einer ganzen Reihe von Kontrollfragen nachgegeben. Vor allem aber ist SDI wichtig. Wir gehen davon aus, daß das SDI-Projekt nicht machbar sein wird. Deshalb wird das Problem niedriger gehängt.
Die UdSSR hat Konzessionen gemacht?
Nein, wichtig ist, daß der ABM-Vertrag eingehalten wird. An zweiter Stelle kommt dann SDI. Vor allem bei den MX-Raketen und den entsprechenden sowjetischen Raketen gibt es eine Annäherung.
Wie sieht es mit den Regionalkonflikten aus?
Beide Seiten sind bereit, einen konstruktiven Dialog in puncto Konfliktregelung weltweit zu beginnen.
In welchen Regionen?
Wichtig ist das Thema Afghanistan. Es geht auch um die Lieferung von Waffen von Pakistan an die afghanische Opposition. Das ist nach dem Genfer Abkommen untersagt. Die USA sollten ihre Verpflichtungen strikt einhalten. Denn das Afghanistanabkommen gibt doch ein gutes Beispiel, z.B. für den Nahen Osten, da gibt es auch intensive Gespräche.
Und wie steht es mit Nicaragua?
Für den Gipfel ist es ein wichtiges Thema. So wie die Amerkaner jetzt gefordert haben, daß keine Waffen von außen an die Kabuler Regierung geliefert werden, hat die Sowjetunion einmal vorgeschlagen, daß keine militärische Hilfe an die Contras geleistet wird.
Sehen Sie in diesen Verhandlungen über die regionalen Konflikte eine neue Qualität in den außenpolitischen Beziehungen zwischen beiden Staaten heraufziehen?
Die Grundlagen sind geschaffen. Die sowjetische Seite will sich nicht einmischen in die inneren Angelegenheiten der Länder, in denen die Regionalkonflikte ausgetragen werden.
Es geht auf keinen Fall darum, daß die inneren Angelegenheiten dieser Länder von der Sowjetunion und den USA geregelt werden. Die beiden Großmächte sollen die Balance ihrer Interessen in der jeweiligen Region bestimmen, sich sonst aber reserviert verhalten. So verstehe ich die sowjetische Position bis jetzt. Aber wir haben sehr wenig über die konkreten Verhandlungen in Moskau gehört.
Gibt es also eine Neubestimmung der sowjetischen Außenpolitik?
Die beiden Begriffe Perestroika und Glasnost beziehen sich auch auf die Außenpolitik, einschließlich Regionalkonflikte und Abrüstung. Für die Europäer bedeutet der Moskauer Gipfel mehr Kontinuität in der internationalen Politik. Kontinuität vor allem in den USA ist nötig, unabhängig davon, wer gerade an der Regierung ist.
Ist es also positiv, daß gerade Reagan diese Verträge unterzeichnet?
Ja, wenn gerade der Mann, der früher die Sowjetunion einmal als Reich des Bösen definiert hat, jetzt positive Eindrücke mit nach Hause nimmt. Er zeigt sich in bester Stimmung.
Stichwort Europa. Wie wird es da weitergehen?
Wenn es gelingt, die Abrüstung auf die konventionelle Rüstung auszuweiten, werden vor allem die Deutschen in beiden Staaten den Nutzen davon haben. Die Waffen kommen weg von deutschem Boden. Zweitens wird die wirtschaftliche Kooperation zwischen Ost und West gefördert. Wir sind ziemlich gespannt auf die sowjetisch-bundesdeutsche Kooperation. Das heißt, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen allen Staaten werden ausgebaut, auch zwischen den beiden deutschen Staaten und zwischen RGW und EG - Sie wissen ja, daß da ein Abkommen bevorsteht.
Und Verbesserungen für die Deutschen?
Man muß an die Probleme rangehen, die es gibt. Und diese Probleme sind zu lösen mit Ost-West-Kooperation. Mehr Handel und Wandel also, mehr Kontakte, Abrüstung.
Das sind große Worte, die müssen für die Bevölkerungen erst einmal mit Inhalten gefüllt werden.
Wenn wir die Abrüstung auf deutschem Boden fortsetzen, wird dies auch Auswirkungen für die Menschen haben. Für die Menschen heißt das, daß Feindbilder abgebaut werden und daß Partnerbeziehungen entwickelt werden. Das Gespräch führte Erich Rathfelder
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