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"Ist Rambo eigentlich auch hier?"

■ Alle Jahre wieder: Auf der Straße des 17. Juni demonstrierten die drei Besatzungsmächte ihre militärische Potenz / Die von der Kontrolle zum Besuch zugelassenen Jubel-Berliner erfreuen sich am alliierten

„Ist Rambo eigentlich auch hier?“

Alle Jahre wieder: Auf der Straße des 17. Juni

demonstrierten die drei Besatzungsmächte ihre militärische

Potenz / Die von der Kontrolle zum Besuch zugelassenen Jubel -Berliner erfreuen sich am alliierten Ersatz für die

fehlende (?) Bundeswehr

„Am schönsten finde ich immer noch die Franzosen mit der Stange!“, schwärmt die etwa 70jährige Berlinerin im ockergelben Regenmantel, „wenn die ihren Stab hochwerfen, so richtig ein paar Meter hoch, und ihn wieder auffangen, das sieht doch wirklich wunderschön aus.“ Ihre Nachbarin, mit der sie auf einer Zuschauertribüne sitzt, nickt und schaut versonnen in den bewölkten Himmel. „Jetzt kommen die Flieger!“ ruft sie mit verzückter Stimme, „guck mal, die Farben!“ Eine französische Propellermaschine und ein Hubschrauber ziehen blaue und rote Streifen hinter sich her.

„Mein Mann war ja auch Flieger!“ fügt die Rentnerin etwas leiser hinzu. „Jaja.“ seufzt die andere. Die Parade wirkt wie eine geschlossene Veranstaltung: Wer nicht „loyal“ aussieht, wird an den Kontrollpunkten von der Polizei zurückgeschickt. 2.500 bewaffnete Beamte „sichern“ die Parade - auch die Presse wird gefilzt. „Hoffentlich stört niemand!“ ängstigt sich eine 50jährige Frau mit großem Hut. „Letztes Jahr war's ja schlimm.“

„Dieses Jahr haben wir wenig Leute.“ erklärt ein US -Sergeant mit besorgter Miene. Die 25. Parade der Allierten Streitkräfte, alljährlich auf der Straße des 17. Juni zelebriert, lockte am Samstag nachmittag nach offiziellen Angaben 70.000 BesucherInnen an. Bei der ersten, nach dem Mauerbau im Jahre 1964, säumten noch über 130.000 FrontberlinerInnen die Straßen. „Ich war jedes Jahr dabei. Nur '73 nich, da isse ja ausjefalln!“, erinnert sich eine 75 Jahre alte Berlinerin.

„Wissen Sie, wir kommen immer mit dem Sonderbus. Aber wir werden jedes Jahr weniger. Man wird ja nicht jünger!“ Sie erhebt sich, nicht ohne Mühe, vom Stuhl: Standing Ovations für den „Fahnentrupp der drei Schutzmächte zu Fuß“. Es folgen die „Fußtruppen“: „2.750 Soldaten sind das!“ Die Rentnerin hat das Programmheft sorgfältig studiert. Beim Vorbeimarsch der Regimenter und Nationalflaggen stützt sie sich auf ihre Freundin, stemmt sich nach oben und blickt, entrückt, geradeaus. „Ah, jetzt kommen die Panzer. Da kann ich sitzenbleiben“, erklärt sie nach ein paar Minuten lächelnd.

„So einen Panzer hab ich auch!“ schreit ein etwa achtjähriger Steppke seinem Vater in's Ohr. Die motorisierten Verbände verursachen ohrenbetäubenden Lärm; nach kurzer Zeit hält sich selbst der kleine Junge die Ohren zu. In seinem Kinderzimmer hat er neben einem Miniaturflugzeugträger etwa 40 „Ledernacken“ im Maßstab 1:72 und mehrere Spielzeugpanzer im Regal. „Ich wollte mal sehen, wie die in echt aussehen.“ „Naja“, erläutert sein Vater, „ne Bundeswehr ha'm wa hier ja nich. Müssen wa schon zu'n Alliierten gehen. Willste noch ne Cola, Kleiner?“

„Och, Schade!“ Der Kleine ist enttäuscht, weil per Lautsprecher gerade das Zielfallschirmspringen abgesagt worden ist - das Wetter ist zu schlecht. „Is‘ Rambo auch hier, Papa?“ fragt er hoffnungsvoll. „Nee, das is doch kein richtiger Soldat. Der ist doch bloß Schauspieler.“ Dem Jungen ist jetzt völlig die Laune verdorben. „Vielleicht sehen wir ja noch Diepgen!“, versucht ihn sein Vater aufzuheitern - erfolglos. „Ach, Diepgen. Der ist doch bloß Bürgermeister.„C.C. Malzahn

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