: TREVI - Keimzelle von Euro-Pol
TREVI - Keimzelle von Euro-Pol
Zufriedene Minen trugen die EG-Innen- und Justizminister am Freitag vorletzter Woche am Ende ihrer Tagung in München: Kaum zuvor, so schwärmten Teilnehmer, sei eine Sitzung der für die innere Sicherheit ihrer Länder zuständigen Minister so gut vorbereitet gewesen wie dieses Mal. In der Frage einer EG-einheitlichen Asyl-Politik sei man weitergekommen; die grenzüberschreitende Polizeifahndung wird zukünftig erleichtert werden; Einigkeit auch darüber, daß sich die Arbeit der TREVI-Gruppe bestens bewährt habe, was durch das wachsende Interesse einiger Nicht-EG-Länder an diesem Gremium unterstrichen werde. Das eigentlich Sensationelle dagegen war, d a ß auf der abschließenden Pressekonferenz in München offen und selbstverständlich über die ominöse TREVI -Gruppe gesprochen wurde. Denn bisher hatten EG-Gremien immer strikt jede Zuständigkeit geleugnet.
Seit Jahren versuchen Abgeordnete des Europäischen Parlamentes immer wieder vergeblich, durch Anfragen an Rat und Kommission der EG den Schleier um dieses geheimnisvolle, jeder parlamentarischen Kontrolle entzogene Gremium zu lüften.
Daß TREVI entgegen allen Brüsseler Beteuerungen nicht lediglich eine bilaterale Angelegenheit zwischen einzelnen Staaten ist, die zufällig auch alle EG-Mitglieder sind, sondern institutionell sehr wohl auf EG-Ebene anzusiedeln ist, zeigt schon deren Gründung: „Die TREVI-Zusammenarbeit wurde (...) im Rahmen der EWG gegründet“, stellte Arne Baun auf einer Tagung des Bundeskriminalamtes über „Internationale Verbrechensbekämpfung - Europäische Perspektiven“ klipp und klar fest. BKA-Chef Heinrich Boge auf derselben Tagung: „TREVI hat sich die Verbesserung der Zusammenarbeit in den Bereichen Terrorismus und Extremismus innerhalb der EG zum Ziel gesetzt und deckt damit ein Feld ab, das Interpol seinen Statuten entsprechend weitgehend ausklammern muß.“ Die Installierung des 1976 eingesetzten Gremiums wurde auf einer EG-Ratssitzung Ende 1975 in Rom beschlossen. TREVI steht für die Anfangsbuchstaben der französischen Wörter „Terrorisme, Radicalisme, Extremisme et Violence international“.
Die Bildung der TREVI-Group resultierte aus der Unzufriedenheit westeuropäischer Polizei- und Geheimdienstoffiziere mit der in Paris ansässigen „Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation Interpol“. Aufgrund der eng gefaßten Statuten dieser weltweit 136 (davon 26 europäische) Mitgliedstaaten zählenden Organisation fallen alle im weitesten Sinne politisch oder religiös motivierten Straftaten durch das Interpol-Raster. Seit den Hochzeiten der Terrorismus -Hysterie forderten deshalb Politiker immer wieder unter dem Schlagwort „Rechtsraum Europa“ supranationale Polizei -Institutionen auf EG-Ebene. Zwar sind die von rechten Politikern vielfach geforderte „Euro-Pol“ oder etwa ein zentrales europäisches Fahndungsamt bislang nur Zukunftmusik. Trotzdem haben sich in einer Art zwischenstaatlicher Grauzone, fernab jeglicher öffentlichen oder parlamentarischen Kontrolle, bereits vor Jahren mehrere Gremien gebildet, die am grenzenlosen Europa für die Polizei stricken. Sie nennen sich Berner Club (Spionage, Terrorismus), Wiener Club (Terrorismus) oder Pompidou-Gruppe (Rauschgift). Und eben TREVI.
Der Informationsaustausch und der Aufbau grenzüberschreitender polizeilicher Kommunikationssysteme ist das Ziel der TREVI-Gruppe. TREVI ist keine polizeiliche Einrichtung, sondern eher ein polizei-politisches Planungsgremium. Auch verfügt TREVI über kein spezielles Sekretariat. Der Vorsitz liegt im halbjährlichen Turnus beim Innenministerium desjenigen Landes, das gerade den EG -Ratsvorsitz innehat. Getagt wird auf drei Ebenen: Der Ministerebene, der hohen Beamten der Innen- und Justizministerien und der Arbeitsgruppen. In den letzteren sitzen die Polizeiexperten zusammen. Es gibt drei Arbeitsgruppen: 1. Terrorismus, 2. Ausbildung und Ausrüstungsfragen, 3. Schwere internationale Kriminalität.
„Gedächtnis TREVI“
Einblick in das TREVI-Innenleben auf Ministerebene gewährt das Protokoll des EG-Justiz- und Innenminister-Treffens im April letzten Jahres in Brüssel. Dabei ist besonders interessant, daß die Minister zunächst in ihrer Eigenschaft als „Ad hoc-Gruppe zu Einwanderungsfragen“ asylpolitische Fragen diskutieren (siehe Bericht oben), bevor sie dann unter Punkt 2 als „Versammlung der TREVI-Minister“ weitertagen. Hauptthema ist die Schaffung eines „geschützten Kommunikationsnetzes“ zwischen den beteiligten Diensten der Mitgliedstaaten. Arbeitstitel: „Memoire TREVI“ - Gedächtnis TREVI! Außerdem sollen die Beziehungen zu „befreundeten Drittländern“ und anderen Abwehrdiensten verstärkt werden. In diesem Sinn hocken sich die EG-Minister auch gleich mit den Kollegen aus Kanada und Österreich sowie der US -Skandalnudel Edwin Meese (damals US-Justizminister) zusammen. (Beim Müncher Treffen waren die Kollegen aus Jugoslawien und Malta dabei.) Dann tüfteln die Minister an einem Vertrag „über den Austausch von Informationen (...) über unerwünschte Ausländer aus Drittländern, die eine Bedrohung im Bereich des Terrorismus darstellen.“ Außerdem soll die Überwachung von Personen und Gütern aus „Regionen, in denen ein hohes Terrorismus-Risiko besteht,“ (gemeint ist der Nahe Osten) intensiviert werden. Nach einem Meinungsaustausch über ein neues Datensystem wird schließlich noch ein „ständiges Verbindungsnetz“ im Bereich des Sport-Vandalismus gutgeheißen. Premiere für das in Brüssel beschlossene neue Überwachungs-Systems: die derzeitige Fußball-Europameisterschaft in der BRD.
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