: Rock für den inneren Frieden
■ 17.Juni: DDR fürchtet musikalische Konterrevolution / Gegenkonzert zu Pink Floyd und Michael Jackson / Krisenmanagement mit West-Rock
Rock für den inneren Frieden
17.Juni: DDR fürchtet musikalische Konterrevolution /
Gegenkonzert zu
Pink Floyd und Michael Jackson / Krisenmanagement mit West -Rock
Berlin (taz) - Wenn heute vor dem Westberliner Reichstag Pink Floyd „another brick in the wall“ anstimmen, wird jenseits der Mauer in Ostberlin-Weißensee James Brown seine Sexmachine wiederbeleben. Vor 100.000 Zuschauern auf der dortigen Radrennbahn gesellen sich die Wailers aus England und Rainbirds aus West-Berlin dazu. Wehe dem, der trotz dieses Reißers zur Mauer unter die Linden eilt, um wie vor einem Jahr „Die Mauer muß weg!“ zu schreien. Damals hatten Genesis und David Bowie vor dem Reichstag gespielt, Popfans und Dissidenten hatten sich am Brandenburger Tor versammelt, Polizei und FDJ-Ordnungstrupps gingen rüde gegen sie vor. Die FDJ zog daraus Konsequenzen. Seit Herbst letzten Jahres wurde vorbereitet, was in diesem Jahr den „Konterrevolutionären“ (wie dem RIAS als Mitveranstalter in West-Berlin) die Schau stehlen soll. Gegenkonzerte sollen Protestpotential binden, ein deutsch-deutsches Rockduell steht bevor - live, open air und über den Äther. RIAS und DDR-Jugendwelle DT 64 übertragen „ihre“ Konzerte direkt.
An drei Tagen finden in West-Berlin die Konzerte statt, rund um den 17.Juni - jeweils zeitgleich die in Weißensee. Am Samstag treten vor dem Reichstag Udo Lindenberg, Nina Hagen und Rio Reiser auf, in Ost-Berlin Fischer Z und prominente Ostblock-Bands. Am Sonntag spielen Kim Wilde und Michael Jackson im Westen der Mauer, im Osten Bryan Adams, die Bots, City und Heinz Rudolf Kunze. Der Clou: Eiskunstlaufstar Katarina Witt moderiert.
Einige Weststars wurden sehr kurzfristig geladen, James Brown etwa sagte erst vor wenigen Tagen zu. Sowohl westliche Agenturen als auch FDJ-Musikfunktionäre hatten sich „um noch Größeres“ bemüht, aber nicht allen Bitten wurde entsprochen. Auch die Bots aus Holland erfuhren erst kürzlich von ihrem Gig. Sie hatten nur zögernd zugesagt, weil sie an einem reinen Gegenkonzert zu Michael Jackson kein Interesse hatten. Auch auf Westbezahlung wurde Wert gelegt. Das ist augenscheinlich trotz Devisenknappheit in der DDR für das Krisenmanagement vorhanden. „Ein Millionenaufwand“, wird von Fachleuten geschätzt, „für den inneren Frieden“. Ebenfalls zur Westberliner Rock-time wird das DDR-Fernsehen an Sonnabend in seinem Zweiten Programm eine Aufzeichnung des Londoner Solidaritätskonzerts für Nelson Mandela senden, meldete am Mittwoch die DDR-Nachrichtenagentur ADN. Damit werden weitere Rockfans von der Mauer vor die heimische DDR -Glotze gelockt.Eckermann
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen