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55 Frauen und Kinder in 13 winzigen Zimmern

■ Der Brand im 2. autonomen Frauenhaus hat die ohnehin beengten Wohnverhältnisse völlig unerträglich gemacht / Ein Gebäude ist unbrauchbar; es gibt zu wenige sanitäre Anlagen / Das Haus ist dringend auf Spenden angewiesen

An einer der verrußten Wände in der Eingangshalle ist eine Kinderzeichnung mit Kirche zu sehen. „Hier brach der Brand aus“, sagt die Mitarbeiterin des Frauenhauses und zeigt auf den kleinen völlig ausgebrannten Nebenraum, in dem sich die jetzt verkohlte Telefonzentrale befindet. Ein Mann watet im Schutt. Es ist der „Herr von der Telefongesellschaft“. „Ein Kurzschluß kann das nicht gewesen sein“, sagt er und schüttelt zur Bekräftigung den Kopf. Dann öffnet er den pechschwarzen Kasten. „Sehen sie mal. Die Zentrale hat so viele Sicherungen, da kann gar nicht von selbst ein Brand entstehen. Das muß durch Fremdverschulden passiert sein.“ Wie meinen? „Na, mit zwei bis drei Liter Benzin kriegen Sie den Raum doch auch in Brand.“

War es ein wütender Ehemann, der sich an seiner Frau rächen wollte, weil sie zusammen mit den Kindern vor seinen Schlägen ins Frauenhaus flüchtete? Oder war es tatsächlich „ein Kurzschluß im Schaltkasten“, wie es die Polizei vermutet. Die Bewohnerinnen des Frauenhauses wissen es nicht. Die Ermittlungen laufen noch.

Früh morgens um halb sieben wurden die Frauen von den Schreien einer Mitbewohnerin aus dem Schlaf gerissen. Diese war von den aufgeregt vor ihrem Fenster flatternden Krähen geweckt worden. Sie ging zum Fenster, um die Vögel wegzuscheuchen. Ihr Herz stockte. Aus dem Eingang des Hauses quoll schwarzer Rauch.

Der Eingang gehört zu dem größten der drei Häuser des Gebäudekomplexes. In der ersten Etage wohnten 40 Frauen und Kinder. Durch das Treppenhaus konnten sie nicht flüchten. Es führt genau zum Eingang. So warfen sie ihre Kinder aus dem Fenster. Die restlichen Frauen, die in den beiden kleinen Häusern wohnen, legten Matratzen auf die Erde und fingen die Kinder unten auf. Oben kletterten die eingeschlossenen Frauen aufs Dach und ließen sich herunterfallen. Sechs Frauen und drei Kinder trauten sich nicht. Sie hatten Glück. Kurz darauf traf die Feuerwehr ein. Sie wurden mit Drehleitern aus dem brennenden Gebäude geholt.

„Was sollen wir jetzt machen?“ Die Mitarbeiterin zuckt fragend mit den Schultern. Die Elektrik funktioniert nicht mehr. Die Heizung ist kaputt. Es gibt auf dem ganzen Gelände kein warmes Wasser mehr. Die insgesamt 55 Frauen und Kinder teilen sich jetzt in den beiden Nebenhäusern drei Duschen, zwei Herde und 13 winzige Zimmer, die nichteinmal als Wohnräume eingerichtet sind. Überall liegt Ruß, auf den Toiletten und Waschbecken, in den Kleiderschränken, auf den Betten, selbst die Spinnweben in den Ecken sind schwarz.

Überfüllt war das Projekt ohnehin schon vor dem Brand. Jedes Zimmer ist mit Etagenbetten vollgestopft. In manchen der kleinen Räume schliefen bis zu drei Frauen mit deren Kindern. Abgesehen von einem zügigen Wiederaufbau fordern die Mitarbeiterinnen vom Senat zusätzlich 20 Wohnungen mit ein bis vier Zimmern für die Frauen. Am stärksten sind wir jedoch auf Geldspenden angewiesen,“ sagt die Mitarbeiterin Sabine.

E.K.

Spenden werden erbeten auf: Konto-Nummer: 9402-103, Kennwort „Feuer“, Postgiroamt Berlin (West).

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