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Kalte Kriegerwitwen

■ Zum 40. Jubiläumstag der „Luftbrücke“ Samstag, 18. Juni, ARD, 20.15 Uhr und Sonntag, 19. Juni, ZDF, 22 Uhr

Der schon von seinem Namen her dafür besonders prädestinierte Sender Denkfreies Berlin bejubelte den Ausbruch jener antikommunistischen Massenhysterie unter Wilmersdorfer Kriegerwitwen und Neuköllner Straßenbahnerkindern, der unter dem passenden Namen „Blockade“ in die neuere Geschichte einging, mit dem 'Volksstück‘ „Der Kaiser von Neukölln“ (Zitat: „Du bist knorke, Papa, haha“) aus dem Hansa-Theater in Moabit, gleich neben dem Knast (der Kritiker: „Theater für ganz alte Altersheimbewohner“), und wagte sogar, diese Tieffliegerei unter dem Jingle von „E 88“ anzubieten - was bei genauem Hinsehen so falsch aber auch wieder nicht ist: Die Ex -Nazihauptstadt als Insel im roten Meer, bei deren Geburt der Wunsch „aller tapferen Berliner“ Pate stand, den vor Moskau verlorenen Feldzug nun an der Spree und diesmal mit den stärkeren Alliierten doch noch zu gewinnen, das widerspiegelt sich und seine Kalte-Kriegs-Funktion als Kultur-„Schaufenster-des-Westens“, also seine doppelte Lügenexistenz heute in derartig panischen Festival-Reigen aus Korruption und Angebertum natürlich am genauesten.

Zu Beginn des Stücks „kauft“ der gerissene Ost-Flüchtling Kaiser eine Neuköllner Kneipe für wertlose Reichsmark, einen Tag vor der West-Währungsreform, über die er hintenrum schon Bescheid weiß: glatter Betrug also. Und trotz der tiefreaktionären Absicht das berühmte Korn Wahrheit: Durch die heimlich vorbereitete Währungsreform in den Westzonen wären über Berlin die ganzen wertlosen Reichsmark in die sowjetische Besatzungszone geströmt und hätten sie binnen Wochen ruiniert. Ein guter Grund also für die Sowjetarmee, ihr Wirtschaftsgebiet abzuschließen. Einen gewalttätigen Versuch Stalins, ganz Berlin zu schlucken, machte daraus erst die westliche Propaganda von Pentagon und RIAS.

Am Beginn der „Blockade“ also Ludwig Erhards vielgerühmte neue Dehmark, in ihrem Verlauf die Gründung von Adenauers Seperatstaat und am Ende die deutsche Teilung, die Stalin nicht wollte: Man ist immer wieder erstaunt, wie der westliche Nachrichtenzirkus es bis heute schafft, diese offenkundige Defensive, in der die Sowjets Treffer auf Treffer einstecken müssen, in einen Beleg für aggressive östliche Außenpolitik umzufälschen. Die „Luftbrücke“ war tatsächlich „Die erste Schlacht des Kalten Krieges“, wie Guido Knopp und Ulrich Lenze ihr ausgezeichnetes Interview und Dokumentarfeature nennen, das am Sonntag immerhin für ein Mindestmaß an Information sorgte, selbstverständlich nicht im SFB. So erfuhr der Zuschauer, der hinzuhören verstand, aus den Interviews der beteiligten Zeitzeugen eine Reihe überraschender Tatsachen, etwa daß Lucius D. Clay damals zwar der amerikanische Befehlshaber für Berlin war, aber keineswegs der eigentliche Organisator der „Luftbrücke“. Das war General Curtis LeMay, der Befehlshaber von Hiroshima. So schließen sich Kreise: Die Atombombe, die vertriebene deutsche Wissenschaftler vier Jahre zuvor in Nevada bauten, war ja eigentlich gegen Berlin bestimmt gewesen, und Curtis LeMay erzählt, daß er in Washington stets auf den Einsatz von Atomwaffen gedrängt habe, er wollte immer „durchbrechen“ und „sich mit Macht durchsetzen“. Im September 1948 verlegten die USA ihre Atombombenträger B-29 nach England: Heute, nach 40 Jahren, hat er gut reden, daß sie leer waren: Was sollten damals die Sowjets denken, die keine A-Waffen hatten!?

Der liberale George-F.-Kennan-Plan sah vor, Westdeutschland aus dem West-Bündnis zu entlassen, um dafür „Auflockerungen in Ost-Europa“ zu erreichen, und der damalige Offizier Crener dazu: „Stalin hätte ein Deutschland als unmilitaristische, antifaschistische Einheit gebilligt.“ Aber das reichte Adenauer und den US-Generälen nicht, der antisowjetische „Kreuzzug“ sollte weltweit beginnen, und das lange Jahr der „Blockade“ bildete einen unersetzlichen Vorwand dafür.

Derweil wütete vor dem Reichstag ein blubbernder Demagoge: Reuter. Ein rechter Widerling, dessen Wirkung auf die Massen man sich heute genauso wenig erklären kann wie die seines hinkefüßigen Vorgängers, aber „der Berliner ist ein verwegener Menschenschlag“ (Goethe) und liebt seine Führer. Und wer klatschte da am lautesten Beifall: ein Grüppchen eleganter Damen auf hochhackigen Pumps, alles andere als „Trümmerfrauen„; hier wurde ein Schatz aus den Wochenschau -Archiven gehoben, bravo! Über Ernst Reuter, der vorher unter dem Namen Frisland KPD-Führer war, gibt es hanebüchene Geschichten; Lenin zum Beispiel verachtete ihn als verlogenen Wortradikalinski, und Rosa Luxemburgs Freund, der KPD-Vorsitzende Paul Levi, begann einmal eine Parteirede gegen ihn mit einer Schillerparodie: „Nacht muß es sein, wo Frislands Sterne strahlen...“

Jedenfalls verstehe ich nun eines: Eine SPD mit Ernst Reuter als Vorbild, ja, die muß so sein.

Dr. Seltsam

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