: Basel vertreibt seine Kultur
■ Besetztes Kulturzentrum „Alte Stadt Gärtnerei“ geräumt / Baseler Bürger hatten in Abstimmung gegen das alternative Zentrum und für Grünanlagen votiert / Basel um ein Stück Kultur ärmer
Berlin (taz) - Die Stadt Basel, die sich in ihrer Eigenwerbung weltweit als „the cultural heart of Switzerland“ verkauft, ist um ein Stück Kultur ärmer geworden. In aller Herrgottsfrüh stürmte die Polizei gestern die „Alte Stadt Gärtnerei“, ein seit zwei Wochen besetztes Zentrum alternativer Kultur. Seit gut zwei Jahren boten die Gebäude der ehemaligen städtischen Gärtnerei Kleintheatergruppen eine Bühne, es wurden Filme gezeigt, es gab Platz für Konzerte und Ausstellungen. In einem der Gewächshäuser war ein Schwimmbad eingerichtet, und in einem angebauten Stall suhlten sich zwei vor der Wurstfabrik gerettete Schweine - und gackerten einige der Legebatterie entrissene Hühner. Weitere Attraktionen: Eine überdachte Boccia-Bahn und eine Volksküche gab es auch. Daß an Wochenenden 2.000 bis 3.000 Personen in die „Alte Stadt Gärtnerei“ strömten, war durchaus keine Seltenheit.
Randale gab es im selbstverwalteten Kulturzentrum nie. Daß die Polizei nun eingriff, ist dem Votum der Basler Bürger zu verdanken. Am 8.Mai sprachen sie sich mit einer knappen Mehrheit von 56 Prozent für eine Grünanlage und gegen den alternativen Kulturbetrieb auf dem Gelände aus. Nachdem für den 30.Mai dann die Räumung angekündigt wurde, besetzten einige hundert Personen das Gelände. Fortan übernachteten Dutzende in den Gewächshäusern.
Als die Polizei das Gelände gestern um 4.45 Uhr stürmte, riß sie an die hundert Leute aus dem Schlaf, einige wurden vorübergehend festgenommen. Zu Auseinandersetzungen kam es zunächst nicht - auch nicht, als die „Schugger“, wie die Basler ihre Uniformierten nennen, unter den Kameras der Fotografen die beiden Schweine abführten. Erst gegen Mittag gab es Randale. Gegen etwa 400 Demonstranten setzte die Polizei Tränengas und Gummigeschosse ein. Bei Redaktionsschluß hielten die Auseinandersetzungen noch an.
thos
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