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DER STAU IN ILJA

■ Interview mit Herrn Richter zu seinem Kabarettprogramm

taz: Warum wirst du denn jetzt plötzlich Kabarettist?

Ilja Richter: Das Kabarett war immer 'ne stille Liebe von mir, auch wenn ich früher - dank der hübschen Kontrollen, die's im Fernsehen gibt - nie einen Sketch in Satire ausarten lassen durfte, wozu ich schon als 20-, 22jähriger neigte. Wenns zu bösartig wurde, paßte der Redakteur da schon auf, daß das wieder in Harmlosigkeit mündete. Aber Kabarett habe ich immer in mir gehabt, als spezielle Form, zum Beispiel musikalische Dialoge liebe ich sehr!

Was war der Hauptimpuls, jetzt tatsächlich ein Kabarettprogramm zu machen? Texte, Solo-Theater, Musik?

Ich konnte ja diese permanente Liebe zum Kabarett nie richtig loswerden; der Stau in mir war so groß, bestimmte Dinge endlich mal machen zu wollen; und in München ergab sich, als ich da Theater spielte, aufgrund bestimmter Konstellationen die Möglichkeit, es bei der „Lach und Schießgesellschaft“ zu machen... Der Neuß hat vor ungefähr vier Jahren, als ich ihn besucht habe, gesagt: „Wenn de nich jetzt irgendwann mal 'n Kabarettprogramm machst, dann machstet nie!“ Das fand ich schon wunderbar, daß er meinte, ich müßte. Der weiß ja vieles, ohne es zu sehen. In München habe ich dann Harry Keil kennengelernt, der ist Regieassistent im Residenztheater, wo meine Freundin gespielt hat. Und Christoph Weber am Klavier, der nicht nur ein hinreißender Pianist ist, sondern auch mein stummer Partner, - den habe ich im „Volkstheater“ kennengelernt.

Was für Musiken verwendest du?

Nach alter Richterscher Sitte neige ich dazu, Melodien zu nehmen, die da sind, und die neu zu betexten. Melodien kreuz und quer durch die Epochen. Aber ich habe längst nicht so wie ich mir das vor zehn oder 15 Jahren vorgestellt hätte im Zwanziger-Jahre-Milieu gekramt. Das ist für mich heute unerträglich: Wie sie da immer in Fransenkleidern rumlaufen, Charleston tanzen und schrecklich mondän sind...

Worum geht's nun in deinem Programm?

Es ist kein tagespolitisches Programm; diesen Anspruch habe ich nicht. Wer Kabarett nur für gut hält, wenn es tagespolitisch aktuell ist, der verkennt bestimmte Kabarettformen, die es immer gegeben hat und die es auch in Zukunft geben wird. Ich mag zum Beispiel Hildebrand oder Bruno Jonas sehr, aber tagespolitisches Kabarett ist nicht mein Bier. Trotzdem halte ich mein Programm durchaus für politisch, für einen „politischen Unterhaltungsabend“... Ich versuche über das Parodistische und Komödiantische mich selbst zu „häuten“ und zu zeigen: „Kuckt mal, ich bin eigentlich der und der un möcht euch gern was davon erzählen!“ Aber ich sehe Kabarett nun auch wieder nicht als Psychiater-Couch an... Ich versuche dann, als „entertainernder Bürger“ zum Beispiel das Fernsehen mal unbedingt abzuhaken, das mich ja geprägt hat, das auch 'n paar Wunden hinterlassen hat und Neurosen ... zum Beispiel die Stoppuhr, die's im Kabarett nicht gibt ... drei Minuten ... Jetzt entscheiden wir im Team, kein Redakteur kommt vorbei und kürzt... Ja, und dann - es muß einfach sein geht's um Faschismus. Das Wort nehme ich nicht in den Mund, weil mir das schon zu old fashioned ist; man wird es aber verstehen, hoffe ich. Und dann geht's auch darum, daß ich Erwartungshaltungen aufnehme, den Leuten etwas biete, was sie von mir erwarten,- aber ich benutze es, um dann andere Züge zu besteigen. Warum nicht zum Beispiel Parodien? Aber nicht mit 100.000 Perücken!

Sind die Texte alle selbstgeschrieben oder gibt's auch fremdes Material?

Es gibt zwei Gedichte von dem leider lange in Vergessenheit geratenen Hans Sahl; dann muß ich einfach mal Curt Bois erwähnen, das gehört zu meinem Gefühlshaushalt. Und dann gibt es noch von Edgar Hilsenrath eine Szene; auch ein Schriftsteller, den ich sehr verehre. Und ein Chanson von Georg Kreisler; ich bin schon seit meinem 15. Lebensjahr Kreislerianer.

Freust du dich auf die Premiere in Berlin? Lampenfieber?

Für mich ist dieses Programm vielleicht das wichtigste, was ich gemacht habe bisher. Und Lampenfieber... Ich laß es immer mehr zu, das zu haben. Als Jugendlicher hab ich mir selber vorgemacht, daß ich das nicht hätte. Aber ich glaub‘, ich geh‘ jetzt besser mit mir um, auch liebevoller. Ich glaub‘, ich war am lieblosesten mit mir, als ich Schlips und Kragen trug...

Interview: kno

Ilja Richter, „Augenblicke für Feinde und Freunde“ ab heute, 20.30 Uhr bei den Wühlmäusen

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