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Anpinkeln im Rundfunkrat

Streit über politische Kommentare bei der Übertragung des Mandela Konzerts im Bayerischen Fernsehen  ■  Aus München Luitgard Koch

Zu einer heftigen Debatte kam es am vergangenen Donnerstag auf der Rundfunkratssitzung des Bayerischen Rundfunks. Anlaß dafür war die Übertragung des Mandela-Geburtstags-Konzerts aus dem Londoner Wimbley-Stadion im dritten Programm des CSU -nahen Senders. Nicht nur, daß die bayerischen Rockfans um gute drei Stunden des Konzerts geprellt wurden, sie mußten sich zusätzlich die politischen Kommentare von „Report München„-Redakteur Günther von Lojewski anhören statt der ARD-Übertragung mit NDR-Moderator Peter Urban. So betonte Lowjeski, daß Mandela an seiner langen Haft selbst schuld sei, da er sich nicht von Gewaltakten losgesagt habe.

„Es gibt niemand mehr, der dieses Pretoria-Regime noch schützt, außer dem BR“, stellte SPD-Rundfunkrat Jürgen Böddrich auf der Sitzung fest und fragte in die Runde: „Muß man, weil Herr Strauß Herrn Botha mag, als öffentlich -rechtlicher Sender soweit gehen?“. Von einer Entmündigung der Zuschauer, wie sie Böddrich sah, wollte Fernsehdirektor Wolf Feller nichts wissen. Er räumte zwar ein, daß sich der BR teilweise ausgeblendet habe, verteidigte aber ansonsten diese „richtige Entscheidung“: „Wir können unseren Sender nicht einer Veranstaltung überlassen, von der man nicht weiß, wo sie sich hinentwickelt.“ Die politische Kommentierung sei notwendig gewesen, da nicht auszuschließen gewesen sei, daß aus der Rockveranstaltung plötzlich eine Agitpropveranstaltung werden würde. Intendant Vöth beeilte sich zu versichern, daß der bayerische Ministerpräsident mit dieser Frage nicht befasst gewesen sei. „Wir haben weder für noch gegen Pretoria und Apartheid Politik gemacht“, glaubt er. Für den Grünen Rundfunkrat Winfried Eckhardt, stand jedoch fest, daß der BR mit dieser Entscheidung in gewissem vorauseilendem Gehorsam über die Linie der Bayerischen Staatsregierung noch hinausgegangen ist.

Eine Rüge handelte sich Strauß-Adlatus Stoiber ein, als er die Kritik des SPD-Chefs Karlheinz Hiersemann, die bayerische Staatsregierung würde über den BR das Regime Bothas unterstützen, als „schäbig“ bezeichnete. Doch Stoiber - der betonte, auch der Freistaat trete für die Freilassung Mandelas ein - wurde, was den Umgangston betrifft, vom Vorsitzenden des bayerischen Sportverbands, Fritz Wilhelm, noch übertroffen. Dieser beschimpfte Hiersemann als „angepinkelten Pascha“. Mit der Bemerkung, warum „ähnliche Maßnahmen nicht für Afghanistan oder für meine eigenen Landsleute, die völlig rechtlosen Deutschen in der Tschechei und die politischen Gefangenen in der DDR durchgeführt werden“, tat sich der Vertreter der Vertriebenenorganisation, Walter Stain, hervor. „Dort sind Hunderte eingesperrt, nicht nur einer“, wußte er. Mit einer Einführung von Redezeiten, die vom Großteil der Rundfunkräte begrüßt wurde, sollen künftig solche Diskussionen zeitlich begrenzt werden.

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