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Besatzer auf dem Dreieck: ratlos

■ Die Belagerung ist vorbei, das autonome Leben in Klein-Kubax beendet / Die neuen Herren haben vom Dreieck Besitz ergriffen / Staunend ziehen sie durch das Dorf, sammeln ihre Beute und zählen leere Gasgranaten

Das kleine Dorf wird geräumt. Während die BewohnerInnen von Klein-Kubax im Schutz des DDR-Randstreifens eine nach dem anderen die Mauer bezwingen, streifen die Ordnungskräfte etwas rat- und ziellos durch die verwaisten Haupt- und Nebenstraßen der Siedlung. Man sieht ihnen die fehlende Ortskenntnis an. Einen Stadtplan hatten die DörflerInnen in der Eile leider nicht mehr drucken können. Die Wege und Kreuzungen des Dorfes entbehren zudem der Geradlinigkeit und schönen asphaltierten Ordnung, die ein vorschriftsgemäßes, polizeigerechtes Straßennetz üblicherweise auszeichnet. Fast wäre da ein schwarzuniformierter SEK- Mann gestolpert: über ein rotweißes Plastikband. Ärgerlich reißt er den Pflock heraus und wirft ihn achtlos beiseite. Daß er hier eins der autonomen Pflanzenschutzgebiete des Kubax-Landes verletzt hat, kann der SEK-Mann natürlich nicht ahnen, fehlt es doch auch hier an jeder regelgerechten Ausschilderung. Ungern duldet der SEK-Mann da Journalistenblicke auf seine Unsicherheit.

Eher möchte die Polizei die Aufmerksamkeit der JournalistInnen auf ein Zelt lenken, an dessen Eingang ein Körbchen steht, gefüllt mit Mollies und garniert mit einer Zwille. „Schreiben Sie aber nicht, daß sei vom SEK hingelegt worden“, mahnt der stellvertretende SEK-Leiter Ebert. „Alles Eigentum wird selbstverständlich zurückgeben“, sonnt er sich, eine Hand am Körbchen in die Kameras der Fotoreporter, „sowas natürlich nicht“.

Je später der Morgen, desto mehr Polizeipräsenz gibt sich auf dem Platz die Ehre. Während sich Polizei-Pressesprecher Eberhardt Schultz bemüht, große Bögen um die Pfützen zu schlagen, zieht es Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus magisch zur Volxküche. Kurz vor dem Ziel stoppt sein Schritt, erhellt sich sein Blick angesichts Hunderter von leeren Tränengaspatronen, die kurz neben der zur Erinnerung an nächtliche Polizeiorgien aufgestapelt sind. Doch da schiebt sich schon die C1- Einsatzbereitschaft ins Bild, in der zur Feier des Tages Demokratie geprobt wird. „Wollt ihr das mit durchsuchen?“ fragt der Leiter. „Wir sollen doch mit durchsuchen“, brummt es unlustig aus der Truppe zurück. Da ist das Videoteam doch viel eifriger. Nach der Ablichtung des „sogenannten Rathauses“ kommt das „halb abgerissene Straßenschild Belleveustraße“ in den Kasten und vieler solcher Leckerbissen mehr.

Nur für die politischen Staatsanwälte blieb an diesem Morgen nichts zu tun. „Kein Hausfriedensbruch, kein Widerstand“ kommt einer angesichts der eifrig über die Mauer kletternden Besetzerlein richtig ins Träumen. Nicht so idyllisch geht es unterdessen an der Mauer zwei zu, wo ein behinderter Besetzer recht unsanft von einem fluchenden Polzisten aus dem Lager eskortiert wird: „Die haben hier alles aufgefahren, die Ratten!“

htm/plu

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