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Linke und Israel und Linke

■ Der KB hat heftige Auseinandersetzungen um die Palästina- Solidaritätsarbeit in einer Broschüre dokumentiert

Die Linke und der Nahe Osten - das ist kein besonders rühmliches Kapitel antiimperialistischer Solidaritätsarbeit in der BRD. Ein historisches Bewußtsein, für das die Auseinandersetzung mit Geschichte kaum mehr ist als die Erkenntnis eines „das war mal“, eine undifferenzierte Beurteilung israelischer Politik und eine ungebrochene Loyalität mit dem palästinensischen Befreiungskampf liefern oft genug Stoff, der Linken in der BRD mehr oder weniger pauschal offenen oder als Antizionismus verbrämten Antisemitismus vorzuwerfen. Die Reaktion darauf fällt empört aus, den Kritikern der Linken wird Demagogie und Unterstützung eines imperialistischen Staates vorgehalten. Die Debatte wird allzuoft auf der Ebene der Bekenntnisse, selten nur analytisch geführt: gerade so, als ob ausgerechnet im Nahen Osten linke Kriterien (zum Beispiel Klassenzugehörigkeit) keine Anwendung finden könnten und wir statt dessen Volks- und Religionszugehörigkeiten zur Basis unserer Positionsbestimmung machen müßten. Gerade so aber auch, als ob die Existenz des Staates Israel aus einer projizierten besonderen Aggressivität der Juden und nicht vor allem aus der im deutschen Nazismus geplanten „Endlösung der Judenfrage“ zu erklären wäre (weswegen es zugegebenermaßen gerecht wäre, Israel wäre auf deutschem, nicht auf palästinensischem Territorium gegründet worden).

Der Konflikt in der Haltung zu Israel und den Palästinensern wird selten offen ausgetragen. Deswegen ist die gerade vom Kommunistischen Bund herausgegebene Broschüre „Ein unvermeidlicher Streit - deutsche Linke zwischen Israel und Palästina“ ein wichtiges Dokument: hier sind die anläßlich der Anfang diesen Jahres bei der Vorbereitung einer Solidaritätsdemonstration zum Volksaufstand in den besetzten Gebieten in Hamburg aufeinandergeprallten linken Positionen vollständig abgedruckt. Der KB hatte sich damals aus dem Aktionsbündnis zurückgezogen, weil von diesem „das Selbstbestimmungsrecht des jüdischen Volkes von Israel 'ausgeklammert‘ beziehungsweise unausgesprochen negiert wird“. Als in einer im 'Arbeiterkampf‘ abgedruckten Erklärung auch noch festgestellt wurde, „die Palästinenser können ihre nationale und soziale Befreiung letzten Endes nicht gegen das jüdische Volk, sondern nur gemeinsam mit diesem erreichen“, war für das Palästina-Komitee Hamburg das Maß des Ärgerlichen voll. „Was ihr vorschlagt, ist, den Dialog zu führen. Bloß über Vertreibung, Enteignung, Ausbeutung gibts nichts zu diskutieren. Glaubt ihr im Ernst an einen Weg gemeinsam mit den Zionisten oder gar an ihnen vorbei, denn wo sind die antizionistischen Kräfte?“ Die Broschüre gibt auch vergleichbare Kontroversen anläßlich der Palästina-Demonstration in Bremen im Februar und in Zusammenhang mit einem antiimperialistischen Flugblatt in Freiburg wieder.

Merkwürdig mutet allerdings an, daß der KB die Kontroversen um die Nahost-Politik, die es seit langem auch in den eigenen Reihen gibt, unter den Tisch fallen läßt. Immerhin hat der 'Arbeiterkampf‘ selbst anläßlich des Einmarschs der Israelis im Libanon die „Endlösung der Palästinenserfrage“ befürchtet - und damit selbst zumindest verbal eine Nähe von nazistischem Massenmord und israelischer Interventionspolitik suggeriert, was zu Protesten auch im eigenen Blatt geführt hat. Dessen eingedenk erscheint es auch nicht gerechtfertigt, daß mit großer Selbstverständlichkeit bereits im Vorwort Henryk Broders Kritik am „linken Antisemitismus“ als Propaganda abgetan und lediglich ein „minoritärer Extremismus insbesondere im Spektrum der 'Autonomen‘ und 'Antiimperialisten'“ zugestanden wird. Die Texte in der Broschüre selber, auch die Notwendigkeit, daß eine solche überhaupt zustande kommt, zeigt, daß Positionen, die das Selbstbestimmungsrecht der jüdischen Israelis leugnen, keineswegs so minoritär und selten anzutreffen sind.

oto

Redaktion des 'Arbeiterkampf‘ (Hg.), Ein unvermeidlicher Streit - Deutsche Linke zwischen Israel und Palästina, Hamburg, 128 Seiten, 8 Mark

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