: Zweierlei Maß
■ Fragwürdige Reaktionen auf einen fragwürdigen Befehl
K O M M E N T A R E
Weinende Angehörige auf dem Flughafen, Leichen, die im Wasser treiben - die Bilder vom Abschuß des iranischen Airbus waren sogar noch grausiger als die nach der sowjetischen Attacke auf den koreanischen Jumbo KAL 007 vor knapp fünf Jahren. Die Reaktion in den USA auf das fatale Feuerwerk im Persischen Golf hätte jedoch nicht verschiedener sein können. Damals strichen alle Fernsehstationen ihr reguläres Programm, diesmal störte nichts die Sonntags-TV-Routine von Sport, soap operas und Show. Damals schaukelte die Reagan-Administration Volkes Stimmung in wochenlange psychedelische Wut hoch, diesmal spielte sie Versteck und warf der Presse mit stundenlanger Verzögerung ihren Generalstabschef zum Fraß vor - doch die war nicht hungrig und ließ ihn bald laufen.
Der Vergleich mit KAL 007 sei inkorrekt, sekundierte der demokratische Fraktionsführer Foley dem bedrängten Pentagon. Von dort aus hatte Stabschef Crowe fälschlicherweise behauptet, der koreanische Jumbo sei damals nicht gewarnt worden und habe sich im übrigen nicht über einer aktiven Kampfzone befunden. Letzteres trifft zu, doch flog der Korean Airlines-Jumbo über mehrere der geheimsten Funkeinrichtungen der Sowjets. Warnungen über Funk und Warnschüsse vor dem Bug hatte der koreanische Flugkapitän ignoriert.
Der Abschuß des iranischen Airbus ist noch schlimmer als der des koreanischen Jumbos gewesen, denn er geschah, obwohl die „Vincennes“ mit neuestem und bestem Radar ausgestattet ist, das dem US-Kreuzer angeblich erlaubt, jedes fliegende Objekt über dem gesamten Persischen Golf wahrzunehmen und möglichst zu identifizieren. Ein derart massives Versagen dieser Superelektronik wirft Fragen über die Urteilsfähigkeit der Besatzung und über eine militärische Strategie der US-Marine auf, die den Persischen Golf seit Monaten ständig auf der Kante zum großflächigen Konflikt kippeln läßt.
Stefan Schaaf
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen