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Wahlbetrug in Mexiko

Noch bevor das Wahlergebnis vorliegt, verkündet die Regierungspartei ihren Wahlsieg / Opposition: schwerer Wahlbetrug /Hunderte illegaler Zwischenfälle  ■  Von G.Aschemann / L.Gabriel

Mexiko (taz) - In Mexiko bahnt sich nach den Wahlen vom Mittwoch eine Konfrontation zwischen Regierung und Staatspartei PRI auf der einen und den Oppositionsparteien auf der anderen Seite an, deren Konsequenzen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht überschaubar sind. Während die PRI den Triumph ihres Kandidaten Salinas de Gortari feiert, bezichtigen die Parteien der Opposition die Regierung des massiven Wahlbetrugs und rufen zum Protest auf.

Bereits zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale gab Cuauhtemoc Cardenas, Kandidat der linken Opposition, bei einer Pressekonferenz eine Liste mit der Aufzählung von Hunderten illegaler Zwischenfälle bei der Stimmabgabe in allen Teilen des Landes bekannt: zum Beispiel Wahlurnen, die bei Öffnung des Wahllokals bereits mit Stimmzetteln für die PRI gefüllt waren; motorisierte Brigaden, die von einem Wahllokal zum nächsten zogen, um mehrfach ihre Stimme abzugeben; Lücken im Wählerverzeichnis vor allem an Orten, wo mit einem hohen Anteil von Oppositionsstimmen zu rechnen war; „Raub“ der Urnen nach Schließung der Wahllokale, um Fortsetzung auf Seite 2

die Wahlhelfer der Opposition von der Auszählung der Stimmen auszuschließen.

Wahlresultate wurden bis zum frühen Donnerstag morgen nicht bekannt. Das Innenministerium begründete die Verzögerung mit einem technischen Defekt der Computer im Wahlzentrum aufgrund der Überlastung der Telefonleitungen.

In der PRI-Zentrale lief bereits seit dem Nachmittag ein Volksfest, um den Sieg zu feiern. Vor der versammelten Parteiprominenz verkündete der Vorsitzende de la Vega, daß die ersten Wahlergebnisse - Zahlen wurden nicht genannt den „herausragenden Sieg des Kandidaten bestätigen“. Im weiteren hob er die saubere und legale Durchführung der Wahlen hervor. Der Beifall wollte nicht enden.

Das für zwei Stunden später angekündigte Erscheinen von Salinas de Gortari fand jedoch nicht statt, ebensowenig die vom Innenminister einberufene Pressekonferenz. Offizielle Erklärungen gab es dafür nicht.

Im Innenministerium war es am späten Mittwoch abend zu tumultartigen Vorfällen gekommen, als die drei Kandidaten der Opposition dem Minister eine Protesterklärung mit der Liste der Wahlrechtsverletzungen überreichten und ihm die eigentlich selbstverständliche - Zusage abgerungen haben sollen, der PRI-Kandidat werde nicht zum Sieger erklärt, solange die Wahlergebnisse noch nicht vollständig vorlägen. Teile der Presse wurden von diesem Akt zeitweise ausgesperrt. Anhänger von Cuauhtemoc Cardenas riefen ihren Kandidaten zum Präsidenten aus, und Sprechchöre forderten Freiheit und Demokratie.

Rosario Ibarra, Präsidentschaftsbewerberin der Revolutionären Arbeiterpartei, verlas am Ort eine gemeinsame Erklärung, wonach die Oppositionsparteien die Wahlresultate unter den gegebenen Bedingungen nicht anerkennen und ihre Anhänger zur Verteidigung der Legalität der Wahlen aufrufen würden - „mit allen Waffen, die uns die Verfassung gibt“.

Unter diesen Waffen befindet sich die Mobilisierung des aufgebrachten Parteivolks der Opposition, die bereits am 9. Juli in eine massive Demonstration vor dem Präsidentenpalast einmünden soll.

Nach ersten inoffiziellen Ergebnissen hatte Gortari 41,8 Prozent der bis dahin ausgezählten 230.000 Stimmen erhalten. Cuauhtemoc Cardenas von der linksgerichteten Nationaldemokratischen Front erhielt 34,9 Prozent. Andere Kandidaten folgten mit 16,4 Prozent, einem Prozent und weniger als einem halben Prozent. Über die Wahlbeteilung wurde nichts mitgeteilt.

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