: Sommertheater 1. Akt
■ Alternative Liste ließ Abgeordnetenhaussitzung wegen Beschlußunfähigkeit platzen: große Entrüstung / Übernahme der Steuerreform für Berlin gestoppt
Der erste Akt des parlamentarischen Sommertheaters endete unrühmlich. Die Kritiken für die Initiatoren, die Alternative Liste, sind durchweg schlecht. „Wenn die Vernunft am Ende ist..“, titelte der CDU-Abgeordnete Buwitt seine Presseerklärung. Und Senatssprecher Fest sieht „politische Mätzchen“ und konstatiert, die AL habe sich ein weiteres Mal aus dem Bereich der ernstzunehmenden Politik abgemeldet.
Die ganze Aufregung war entstanden, weil den AL –Abgeordneten am Samstag die Reihen des parlamentarischen Hauses ungewöhnlich licht erschienen waren. Das einmalige Durchzählen ergab: Nur 59 der 144 gewählten VolksvertreterInnen hatten sich zur Sitzung eingefunden. Einer Sitzung, in der es zwar „nur“ um die Übernahme von Bundesgesetzen ging, die von den Altparteien als Formsache und wegen der Rechtseinheit mit dem Bund als Selbstverständlichkeit angesehen werden, aber immerhin ging es um die umstrittene Steuerreform, zu der die Berliner ParlamentarierInnen ihre Hand heben sollten. So nicht, mögen die Alternativen sich gedacht haben, und stellten zum Ärger von Parlamentspräsident Longolius (SPD) den Antrag auf Feststellung der Beschluß(un)fähigkeit. Auch die eilig – um den Abgeordneten Zeit zu geben, die notwendige Anzahl ihrer KollegInnen herbeizuholen – einberufene Sitzung des Ältestenrat blieb ohne das gewünschte positive Resultat. Dem Parlamentspräsidenten blieb nur noch, die Sitzung zu beenden.
Die Entrüstung ob dieses normalen parlamentarischen Vorganges ist groß. Aus gutem Grunde existiert eine Geschäftsordnung, mit der auch im politischen Interesse zu operieren das täglich Brot der ParlamentarierInnen ist. Unverständlich muß deshalb bleiben, warum Dankwart Buwitt das Verhalten der AL als „Akt der Unvernunft unter heuchlerischem Berufen auf die Geschäftsordnung“ nennt. Denn immerhin hatte die AL bereits vor dem formalen Akt erklärt, sie sei gegen die Übernahme der Steuerreform für Berlin. Und noch ist die Einhaltung der Geschäftsordnung nicht von den Motiven der nach ihr Handelnden abhängig. Parlamentspräsident Longolius holt noch das immer wirksame Totschlagargument aus der Schublade: das Geld. Die jetzt nötige Sondersitzung des Abgeordnetenhauses, zu der die ParlamentarierInnen auf Staatskosten aus dem Urlaub eingeflogen werden müssen, würde die Kassen der Stadt „stark belasten“. Kein Wort von der Diätenerhöhung, die im selben Übernahmepaket steckt und mit der sich die Parlamentarier nicht zu knapp aus dem großen Steuersack bedienen – auf einer Sitzung bei der sie sich selbst als verzichtbare Statisten darstellen. Was auch immer das Motiv der AL-Abgeordneten an diesem Samstag gewesen sein mag, sie entpuppten sich – wie schon häufig – als die besseren Parlamentarier.
bf
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