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„Wir sind doch keine Kaninchen“

■ Besuch bei Schönhubers Republikanern jenseits von Boom und „Diridari“ am Münchner Stadtrand

Carl-Wilhelm Macke

Das Veranstaltungslokal befindet sich weit draußen an der Peripherie der Stadt. Hier ist das sonst so goldene und von High-Tech-Konjunktur so trunkene München grau und nüchtern. Keine Edelboutiquen, keine Schlemmerlokale, keine Protzkarossen, nur Supermärkte, kleine Läden, Video-Shops, Spielcenter, Frittenbuden. Wohin man auch schaut, nur das Second-Hand-München, ein Stadtteil im Schatten von Boom und „Diridari“. Die Gaststätte, in der sich die Republikaner treffen, gehört nicht zu den stadtbekannten Biertempeln. Sie ist eine eher heruntergekommene Ausflugsadresse, die sicheren Schutz bietet vor der berüchtigten Münchener Schickeria. Ohne Pkw ist das am Rande der Stadt, am Rande eines kleinen Waldes, am Rande eines Friedhofes gelegene Lokal nur mühsam zu erreichen. Deutlich auch die Sprache der rings um das Lokal geparkten Autotypen: Mittelklasse, allenfalls einmal der kleine BMW, aber immer deutsche Fabrikate. Im Saal, prallvoll, gut 800 Zuhörer. Eine fast geschlossene Männergesellschaft. Die wenigen Frauen sind offensichtlich verwandt oder verschwägert mit Parteifunktionären. Alleine wagt sich hier eine Frau wohl kaum herein, und wenn man sich so umschaut, weiß man auch warum.

Eindeutig sind ebenfalls die unter den Versammelten dominierenden Altersgruppen einzugrenzen: zwischen Mitte fünfzig und Mitte sechzig. Die noch Älteren sind Rentner, darunter auffallend viele Behinderte. Als Schönhuber in seiner Rede auf die Verdienste der Soldaten bei der Verteidigung „unseres schönen Vaterlandes“ zu sprechen kommt, hebt ein älterer Zuhörer seine beiden Armstumpfe, ein anderer klopft mit der Krücke auf den Boden. Ein elendes Bild, das sogar beim politisch Andersdenkenden ein Gefühl von Mitleid aufkommen läßt.

Bei den Jüngeren glaubt man eine Reihe von Polizisten von der letzten Demonstration in Wakkersdorf wiederzuerkennen. Beim Stichwort Hafenstraße überbietet man sich mit Gewaltphantasien. „Sofort aufräumen ... keine Verhandlungen mit den Chaoten ... klare Verhältnisse.“ Die Republikaner - eine Partei der Geschlagenen und Schlagenden? Brausender Beifall, als Schönhuber die Deutschen auffordert, sich nicht mehr wie die Kaninchen alles gefallen zu lassen. „Republikaner schlagen zurück“, wird vollmundig von Schönhuber gedroht, und für Augenblicke glaubt man die Kaninchen im Saal mit ihren Muskeln spielen zu sehen.

Daß nach einer Stunde schon die ersten Betrunkenen torkelnd den Saal verlassen, kennt man auch von CSU-Politgaudis. Aber so richtig bayerisch geht es bei den Republikanern trotzdem nicht zu. Selten sichtet man einen Trachtenanzug, selten hört man einen bayerischen Tonfall. Deutsch ist hier angesagt, ohne Akzent, geradeheraus. „Wir sind stolz, Deutsche zu sein“, wiederholt Schönhuber mehrmals in seiner Rede. Zur Einstimmung dröhnt es zu Beginn ununterbrochen aus dem Lautsprecher. „Hallo, guten Morgen Deutschland.“ Schwarz-rot-gold ist der Saal ausgeschmückt, schwarz-rot-gold sind auch die Parteifarben. Schwarz-rot -gold sind die Bierseidel verziert, die am - natürlich schwarz-rot-gold geschmückten - Verkaufsstand feilgeboten werden.

Schönhubers Rede quillt über von deutschem Patriotismus, Stolz auf die deutsche Geschichte und auf deutsche Wertarbeit.

Die Republikaner haben ihre bislang größten Erfolge in Bayern, aber sie sind keine bayerische Partei. In ihren Reihen finden sich auffallend viele Vertriebene der ersten, zweiten, dritten Generation, zugezogene Norddeutsche, die in Bayern vielleicht eine politische Heimat gefunden haben, aber sozial immer Zuagroaste bleiben. Der Trotz gegen die herrschende Bayerntümelei und gegen die herrschenden Bayern ist ein wichtiges Ferment der Republikaner, das viele politische Beobachter dieser Partei übersehen.

Durchsichtig und kalkuliert ist Schönhubers Rede an die Versammelten, die sich anschicken, aus dem Kaninchenstall auszubrechen. „Wir haben die Nase voll“, lautet der Slogan auf einem der Plakate, die neben der Bühne für alle sichtbar hängen. Was auch immer angesprochen wird, von allem hat man die Nase voll, und eine Rettung verspricht man sich nur von „einem Deutschland, in dem wieder Gesetz, Ordnung und Anstand herrschen“. Natürlich ist die Rede Schönhubers durch und durch demagogisch angelegt, aber sie ist nie so polternd wie in den besten Tagen eines Franz -Josef Strauß, und die zynische Kälte eines Edmund Stoiber fehlt ihr vollends.

Gelegentlich ist sie sogar nicht frei von stillen, gefühlvollen Tönen, wenn er etwa von den vertriebenen Müttern und ihren Kindern, von den Opfern von Vergewaltigungen und Drogendealern spricht. Schönhuber beherrscht das populistische Alphabet, und die im Saal können sich mit ihm identifizieren - vermutlich aber nur die. Für eine attraktive populistische Führungsfigur ist er zu blaß, und trotz markiger Sprüche ist er vielleicht sogar ein wenig zu „weich“. In allem ist Schönhuber nichts weiter als ein Möchtegern-Strauß, der seinem geheimen Vorbild aber in jeder Beziehung unterlegen ist. In einem Punkt gleichen sich aber die beiden: Sie sind Figuren der Vergangenheit, Repräsentanten einer Rechten, die in dieser Form keine Zukunft hat. Gegen Strauß spricht das biologische Alter, gegen Schönhuber sein Denken in Schablonen des Kalten Krieges. Wenn er linke Kritiker seiner Politik auffordert, doch „nach drüben zu gehen“, den „freudlosen Sowjetmenschen“ als Drohbild an die Wand malt und die SPD der „Volksfrontpolitik“ bezichtigt, zeigt sich Schönhuber als ein Politiker voll auf der Höhe der Zeit aber der fünfziger Jahre und nicht von heute. Umworben wird von den Republikanern politisch jener diffuse Kreis „rechts von der Mitte“ und sozial ein deklassierter Mittelstand, der deutsche Facharbeiter, der von den Kaufhäusern verdrängte kleine Händler, der von den Agrarindustriellen zerriebene Bauer, der von allen verlassene Rentner. Von Modernisierung, von Computern, von Datennetzen spricht er nie, aber deren Opfer vergißt er nicht. Die sind auch hier versammelt, begehren auf, wollen gehört werden, aber ihr Unmut bleibt dumpf, ihre Ziele jenseits von law and order sind verschwommen, ihr Patriotismus ist nicht frei von wahnhaften Zügen.

Ununterbrochen distanziert sich Schönhuber an diesem Abend von den nazistischen Rechten, um dann mit den zweiten und dritten Sätzen genau in deren Sinne Stimmung zu machen. „Wer bei den Republikanern als Antisemit auftritt, bekommt es mit mir persönlich zu tun - aber so allmählich hat man ja als Deutscher den Eindruck, der Zentralrat der Juden ist die fünfte Besatzungsmacht auf deutschem Boden“. Zum Thema Ausländer verblüfft er die Zuhörer zunächst einmal mit der Information, daß seine Frau fließend Türkisch spreche. „Die Familienmoral der Türken ist vorbildlich - aber jeder freiwerdende Arbeitsplatz muß bei uns erst einmal mit einem deutschen Arbeitslosen besetzt werden.“ Natürlich, darauf legt Schönhuber besonderen Wert, müsse in München ein Platz auch nach den Opfern des Nationalsozialismus benannt werden. „Das waren schlimme Jahre, die wir nie vergessen dürfen aber wo bleiben die Plätze der Vertriebenen, der gefallenen Soldaten, der Opfer des Kommunismus?“ „Der Bauer in Nicaragua verdient Hilfe - aber mir ist das Schicksal arbeitsloser Holzarbeiter in Niederbayern dreimal wichtiger.„

Diesem Strickmuster folgt die ganze Rede. Besonders anhaltend ist der Beifall immer dann, wenn gegen die Korruption in der Politik gewettert wird und Schönhuber die Republikaner als die einzige Partei definiert, die vorbehaltlos hinter der Polizei steht. „Wir sind die Partei der Polizei“, und im gleichen Atemzug wird die Arroganz der Macht in Wackersdorf beklagt. Überall nichts als Widersprüche, Brüche und blanke Demagogie, die aber hier im Saal niemand wahrhaben will. Erstaunlich, daß ausgerechnet in München bei einer Parteiversammlung der Republikaner das Stichwort Aids nicht ein einziges Mal fällt. Da scheinen die ohnehin ständigen Abgrenzungsprobleme der Republikaner gegenüber der CSU wohl besonders groß zu sein. Über die Atomenergie, die im Parteiprogramm abgelehnt wird, spricht Schönhuber nur am Rande. „Da blickt ja keiner mehr durch.“ Um so mehr aber knüpft sich der ehemalige Fernsehjournalist die „öffentlich-rechtlichen Massenmedien“ vor (von den anderen ist nie die Rede). Nur „Mord und Totschlag„ bekäme man zu sehen, aber nie das Schöne im Leben. „Die Amerikaner haben dem deutschen Volk die Seele genommen“, formuliert Schönhuber in Anspielung auf die Beliebtheit von US-Fernsehserien. Besonders bei den Passagen über die Medien fällt auf, wie sehr die Republikaner eine Partei Schönhubers sind und wie sehr er die politische Kampagne mit dieser Partei als einen persönlichen Rachefeldzug gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Bayerischen Rundfunk, instrumentalisiert.

Mit Bekundungen zu den Idealen der Französischen Revolution (am Ende einer solchen Rede!), zum deutschen Patriotismus und dem Absingen der Nationalhymne klingt der Abend aus.

In der Straßenbahn hallen noch für einige Stationen die rechten Melodien des Abends nach. „Nicht die Judenverfolgung habe den Deutschen geschadet“, so klärt eine verhärmt wirkende ältere Frau und Teilnehmerin der Kundgebung ihre ebenfalls von Schönhuber kommende Nachbarin in der Straßenbahn auf, „sondern der Reichtum. Das Geld und der Islam ziehen den Deutschen das Mark aus den Knochen...“ Erst als eine Gruppe Türken und ein papageienbunter Freak die Straßenbahn betreten, verstummen die beiden Frauen. Jetzt beginnt auch für sie wieder der Kaninchen-Alltag, in dem sie gescheucht und geschlagen werden - oder in dem sie mit der Schönhuber-Rede im Kopf eben in Zukunft auch einmal mehr selber scheuchen und schlagen. Kaninchen, die davon träumen, endlich mal wieder als Schäferhunde gefürchtet zu werden.

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