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Militante Atheisten? -betr.: "Seligsprechung der Schwester Blandine", taz vom 2.7.88

betr.: „Seligsprechung der Schwester Blandine“,

taz vom 2.7.88

Daß die taz der Seligsprechung einer Nonne einen längeren Artikel widmet, ist nicht verwunderlich. Irritiert hat mich auch nicht, daß der Bericht einem „Mitteilungsblatt des Blandinenarchivs Ahrweiler“ entnommen war. Stutzig machte mich erst die Bemerkung, der Text sei als „Dokument von der anderen Seite der Republik - Pflichtlektüre für alle militanten Atheisten“. (...) Wer aber mag mit den „militanten Atheisten“ gemeint sein?

Auf „dieser Seite der Republik“ gibt es manche, die in der Kritik der Religion die Voraussetzung aller Kritik sehen. Davon zeugen mehrere Verbände der Konfessionslosen, Atheisten, Agnostiker, Freigeistigen oder Freidenker. Das zeigt auch die Existenz einer Arbeitsgemeinschaft Trennung von Staat und Kirche, in der einige Organisationen seit Jahren zusammenarbeiten. Die politische Seite des Atheismus kommt beispielsweise in dem „Politischen Leitfaden Kirchenaustritt allein genügt nicht!“ zum Ausdruck, der vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten vor einigen Monaten herausgegeben wurde. Seit Jahren werden Forderungen (etwa die Abschaffung des „Gotteslästerungsparagraphen“ 166 StGB, die strikte Trennung von Staat und Kirche, die Abschaffung Theologischer Fakultäten und des Religionsunterrichts) in Zeitschriften wie 'diesseits‘, in den 'ketzerbriefen‘ und den 'Materialien und Informationen zur Zeit (MIZ)‘, einem politischen Journal der Konfessionslosen und Atheisten, diskutiert. Davon hat die taz, wenn überhaupt, nur am Rande Notiz genommen. Von einem „militanten“ Atheismus kann hingegen kaum die Rede sein. Ebensowenig dürften es Atheisten nötig haben, von der taz einen frömmelnden Text als komische „Pflichtlektüre“ vorgesetzt zu bekommen.

Die Diskussion politisch berechtigter Forderungen von Atheisten geht über aufgeregtes Schimpfen auf Priester, Papst und Kirche jedenfalls schon lange hinaus. Der Nachdruck des Artikels, aufgemacht als exotisches „Dokument“ der Frömmigkeit und so der Lächerlichkeit preisgegeben, deutet an, auf welchem Niveau Religionskritik und Atheismus in der taz reflektiert werden. Es gäbe bei weitem wichtigere und bessere Texte als atheistische Pflichtlektüre zu drucken.

Franz-Helmut Richter, Levanto

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