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Kritische Auseinandersetzung-betr.: "Rebellisch-erotische Tochter Gottes", taz vom 7.7.88

betr.: „Rebellisch-erotische Tochter Gottes“, taz vom 7.7.88, S. 9

Zunächst einmal möchte ich es begrüßen, daß in der taz Artikel über feministische Theologie erscheinen, doch sollte es dabei nicht allein bei einer wohlwollenden Darstellung einer Vertreterin bleiben. In dem Artikel über E. Sorge wird lediglich erwähnt, daß andere Theologinnen, die weiterhin im Einklang mit dem christlichen Gott leben wollen, empört sind über die Äußerungen E. Sorges. (...)

Heide Wohlers, die von „radikal-feministischen Positionen der Theologin“ spricht, möchte ich entgegenhalten, daß viele Ausführungen E. Sorges in ihrem Werk Religion und Frau meines Erachtens der patriarchalen Vorstellungswelt entsprechen, zum Beispiel das Romantisieren von Gebären und Mutterschaft und vor allem ihre Vorstellungen von einer starren Rollenfestlegung. Diese spiegelt sich am deutlichsten in der konstruierten Göttin-Heros-Verbindung wider, wobei es sich nach Meinung E. Sorges als auch anderer feministischer Theologinnen „um die Zentralgestalten der sogenannten matriarchalen Religion handelt, die als Leitidee für eine erosbejahende, leben- und frauenliebende Spiritualität“ (Sorge, S. 17) dient. Die Geschlechterunterschiede in bezug auf Rollen und Funktionen drückt E. Sorge in folgendem Zitat aus: „Der Unterschied zwischen Frau und Mann und weiblich und männlich besteht aus der Sicht matriarchaler Spiritualität darin, daß Frauen unmittelbar mit der Göttin und dem kosmischen Ganzen identifiziert sind, während der Mann, der als menschlicher Heros mit der Göttin kommuniziert, sich nicht unmittelbar die Symbole der 'Jungfrau-/Liebes-/Mutter- und Tod-im-Leben -Göttin‘ zu eigen machen kann und keinen unvermittelten Zugang zu kosmischen Mysterien hat: zum Gebären, zur Wandlung, zum Nähren und zur Wiedergeburt.“ (Sorge, S. 68).

Nicht nur drängt sich hier die Frage auf, inwieweit es ein feministisches Interesse sein kann, Gebären, Wandlung etc. als kosmische Mysterien zu bezeichnen. Auch bezweifle ich, daß das in dem Zitat aufgeführte Verhältnis von Frau-Mann, weiblich-männlich, zu den Zentralgestalten Göttin-Heros eine Basis für eine egalitäre, herrschaftsfreie Gesellschaft sein kann, wie E. Sorge sie an anderer Stelle fordert. Eine kritische Auseinandersetzung von feministischer Seite aus mit dem Werk E. Sorges ist unerläßlich.

Ein zweiter Kritikpunkt meinerseits bezieht sich auf die Darstellung durch Heide Wohlers. So bezeichnet sie das Vorgehen der evangelischen Kirche gegen E. Sorge als Hexenverfolgung. Ich will ihr weniger geschichtliche Unkenntnis als unreflektierte Heranziehung eines solchen Vergleichs unterstellen. Es ist doch wohl verfehlt, eine Beurlaubung bei weiterlaufenden Bezügen mit der Folter und Ermordung von Tausenden Frauen zu vergleichen, zudem wurde die Mehrzahl der „Hexen“ nicht wegen abweichender Glaubensäußerungen verfolgt.

Der linke, religionskritische Anspruch der taz sollte dazu führen, der unkritischen Darstellung demnächst eine vertiefende Auseinandersetzung folgen zu lassen.

Silke Busch, Amöneburg

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