Auf der Sonnenseite des Lebens

■ Miß-Wahlen: Mehr oder weniger dubiose Veranstalter reißen sich um das Titel-Geschäft

Mindestens 17 und nicht älter als 25 darf sie sein, ohne Trauring und Kinder. Natürlich muß sie deutsche Staatsbürgerin sein und noch nie nackt vor einer Kamera egal ob öffentlich oder privat - agiert haben. So streng sind die Sitten, wenn es um die Wahl der Schönsten im Lande geht. Dafür müssen die Bewerberinnen sowohl „Schönheit und Charme“ als auch „Intelligenz und Anmut“ mit auf den Laufsteg bringen.

Das Reglement für den Wettbewerb ist genau festgelegt: nach dem 1., dem „KO„-Durchgang, sollen die ersten acht in kurzen Interviews („Was machen Sie in Ihrer Freizeit?“) Köpfchen zeigen, um im letzten Durchlauf mit Badedress und Stöckelschuh „Figur und Eleganz“ zu demonstrieren. Der Siegerin geht es gut danach, als Landessiegerin steht ihr für ein Jahr ein Auto kostenfrei zur Verfügung und elf lange Tage darf sie durch's östliche Mittelmeer kreuzfahren, wobei sie „die nötige Bühnensicherheit bei Proben und Präsentationen an Bord“ erlangen soll. Damit rüstet sie sich für die weiteren Aufgaben, die auf sie zukommen können: die Teilnahme bei der Wahl der Miss Germany, der Miss EG, Miss Europa, Miss International, Miss World und Miss Universe.

Nicht leicht haben es die Veranstalter solcher Konkurrenzen, denn der Titel der Miss Germany läßt sich in Deutschland nicht schützen und so kann jeder sein Geschäft damit versuchen. Die Miss Germany Corporation des Österreichers Reindl unterlag inzwischen einem gerichtlichen Vergleich und darf keine Miss Europa mehr wählen, und die Mannequinschule Rebensburg aus Nürnberg wählt ausschließlich aus ihren eigenen Reihen Landes- und Bundessiegerin. Ganz seriös dagegen versucht es die Miss Germany Company des in Aachen ansässigen Dieter Rissen. Er sucht den „reellen Wettbewerb unter deutschen Mädchen“ und verfolgt dabei auch noch ernsthafte Anliegen: „Miss Germany zu sein, bedeutet aber nicht nur, die Welt zu bereisen und bei Werbeveranstaltungen Erfolg zu haben. Die Popularität der Miss soll zu wohltätigen Zwecken eingesetzt werden, um den Menschen auf der Schattenseite des Lebens zu helfen.“ Ganz dem Beispiel der Miss Germany 1986, Dagmar Schulz, folgend, die in ihrer „Amtszeit“ El Salvador besuchte, um auf die in diesem Land herrschende Armut aufmerksam zu machen und um Spenden zu bitten.

Der erste Schritt ins angemessene Luxusleben einer Bundessiegerin darf dabei nicht zu kurz kommen: ihr winken als erste Preise ein Chrysler-Cabrio, ein garantiertes Jahreseinkommen von 50.000 DM, eine Kreuzfahrt nach New York und weitere Sachpreise. Dazu kommen die repräsentativen Aufgaben, kurze Auftritte mit strahlendem Lächeln und schwarz-rot-goldener Schärpe in „Film, Funk und Fernsehen“, so sie denn Glück hat.

Auf jeden Fall darf sie durch „namhafte Diskotheken“ im Bundesgebiet tingeln, schließlich will das garantierte Jahreseinkommen auch verdient sein. Ernst für ehrgeizige Berlinerinnen wird es am 23. Juli. Im Saal einer Tanzschule im Kudamm-Karree wird „die schönste, charmanteste junge Berlinerin“ gekürt.

Elmar Kraushaar