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„Werden noch mal nachdenken“

Hans-Otto Schulte, Senatsdirektor für Stadtentwicklung, zu den Straßenbauplänen im Bremer Osten  ■ Interview

taz:Sie sind jetzt seit vier Monaten Senatsdirektor für Stadtentwicklung. Sie haben Straßenbauplanungen vorgefunden, die vor zehn Jahren ihren Ausgang nahmen. Sind Sie damit zufrieden?

Schulte: Mit dem Flächennutzungsplan 1983 wurde zum ersten Mal versucht, ein zusammenhängendes Hauptstraßennetz für Bremen darzustellen. Dieses Netz hat durchaus seinen Sinn.

Nun sagen Kritiker: Durch immer mehr Betontrassen wird immer mehr Individualverkehr provoziert. Je leichter es die Autofahrer haben, um so weniger sind sie bereit, auf ihr Gefährt zu verzichten. Wäre es nicht sinnvoll den Autofahrern das Leben ein bißchen zu erschweren?

Diese Einwände haben zum Teil ihre Legitimation. Es ist schon so, daß der Individualverkehr sich gerne dort konzentriert, wo er entsprechende Voraussetzungen vorfindet. Sie müssen aber auch den Geschäftsverkehr und den Güterverkehr, vor allem auch den ÖPNV sehen. Es gibt Schwachstellen, die verbessert werden müssen.

Auf der anderen Seite denken wir sehr intensiv über die Verbesserung des ÖPNV nach. Da geht es um eine zügigere Führung über separat ausgewiesene eigene Gleiskörper und um die Anbindung entlegener Punkte, zum Beispiel von Autobahnauffahrten, um dort im Zusammenhang mit Park & Ride Plätzen von vorne herein Individualverkehr aus dem Stadtgefüge herauszuhalten.

Sie sind nach Bremen gekommen, um hier etwas für ökologische Stadtumgestaltung zu tun. Eines ihrer ersten größeren Projekte hat mit ökolgischer Stadtumgestaltung wenig zu tun. Sie werden schnell den Ruf eines Betonvertreters bekommen.

Diesen Ruf hatte ich eigentlich noch nie. Ich werde versuchen, deutlich zu machen, daß ich das in einer Planungs - und Entscheidungshistorie sehe. Ich versuche gleichzeitig deutlich zu machen, daß wir uns im Moment in einer Phase befinden, wo wir mit diesen Dingen in die Öffentlichkeit kommen. Das kann jetzt öffentlich diskutiert und gegebenenfalls modifiziert werden. In diesem Prozeß können durchaus noch ökologische Aspekte einfließen.

Das heißt ein bißchen mehr Begleitgrün.

Im ersten Moment kommt dann der leidige Begriff Schamgrün. Das könnten Sie so verstehen. Auf der anderen Seite versuchen wir doch, wo es nötig wird, mit entsprechenden Neupflanzungen ein ökologisches Stadtgefüge zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wir wollen Grünbereiche für die schwachen Verkehrsteilnehmer, die Fußgänger und Radfahrer errichten, die sich als vernetztes ökologisches Gefüge durch zusammenhängende Stadtgebiete ziehen. Natürlich geht der Begriff der Ökologie da noch viel weiter. Das ist nicht nur Grün. Das ist auch das Mitmachen der Quartiersbewohner vor Ort. Der persönliche Umgang mit ihrem Ambiente, sowohl in der Debatte, als auch in der handgreiflichen Auseinandersetzung:der Umgestaltung der eigenen Wohnumgebung. Das sind ganz wichtige Aspekte von ökologischem Stadtumbau, die eine hohe Identifikationsleistung für die Bürger im besten Sinne von Heimat darstellen.

Die Bürger im Bremer Osten haben aber eher den Eindruck, daß ihnen ein Stück Heimat genommen wird. Und sie haben zudem den Eindruck, daß sie jetzt, nach zehn Jahren Vorlauf, nichts mehr an diesen Plänen verändern können.

Der direkt Betroffene reagiert natürlich so. Nur in den Quartieren hinter diesen Straßenzügen wohnen oftmals mehr Leute. Durch diese kleinen Straßen sucht sich der Ausweichverkehr seine Wege. Diese Leute werden eine Verbesserung erfahren. Bei den Debatten ist es aber immer so, daß die, die den Nutzen haben, schweigen. Das andere ist: Im Zuge der öffentlichen Diskussion der Projekte ist sicherlich noch Bewegung drin. Das hat nicht nur akklamatorischen Charakter. Wir wollen diskutieren, in welchen Bereichen Modifikationen möglich, erfolgreich und finanzierbar sind.

Betrifft das nur Linksabbiegerspuren, die eventuell an einer Stelle wegfallen, oder können Sie sich auch vorstellen, daß eines der Projekte kippt? Oder ist dann das ganze Konzept hinfällig?

Das Konzept hat schon seinen Sinnzusammenhang. Sicher ist es theoretisch nicht auszuschließen, daß das eine oder andere Projekt verzögert oder gar verunmöglicht wird. Nur dann wird die Leistungsfähigkeit die man sich von dem Konzept erhofft, nicht erreicht werden.

Und das ist ein unbedingtes Muß, daß der Autoverkehr dort mehr Straßen hat?

Darüber werden wir noch einmal genau nachdenken.

Fragen: Holger Bruns-Kösters

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