Revolution im Übersee-Museum

■ Ein Iraner Maler und die bürgerliche Revolution von 1848: Bis zum 31. Juli gibt es im Übersee-Museum Akbar Behkalams Bilder gegen Unterdrückung, Folter, Terror und Zensur zu sehen

Wenn sich ein iranischer Maler ausgerechnet mit der bürgerlichen Revolution von 1848 in Deutschland befaßt, so ist das zumindest überraschend. Dem aus Täbris stammenden Iraner Akbar Behkalam, dessen umfangreiche Ausstellung zur Zeit im Übersee-Museum gezeigt wird, schien das Thema allerdings aus mehreren Gründen naheliegend. Zum einen ist die Revolution als Aufstand des Volkes gegen Unterdrückung, Terror und Folter, gegen Unfreiheit und Zensur ohnehin zentrales Thema seiner Malerei. Zum anderen wohnt er seit mittlerweile zehn Jahren in Deutschland, eine lange Zeit, in der man sich zwangsläufig irgendwann mit der Tradition der neuen Hei

mat auseinandersetzt.

Zwischen der 1848-Revolution und der zeitgenössischen im Iran sieht Behkalam durchaus einige Verbindung. Vor allem aber interessiert ihn 1848 als eine Zeit, „in der eine vielschichtige Bewegung auf Veränderung drängte“, und weil damals versucht wurde, „den Traum von der Freiheit zu leben“.

Er selbst verfolgt diesen Traum in jedem seiner Bilder. Denn Revolution, das bedeutet für ihn, die Bewegung der Masse auf eine neue, freiere und bessere Gesellschaft. Er weiß um das Utopische dieser Vorstellung und auch - und dies nur zu gut - , daß revolutionäre Ideen zugunsten von Machtansprüchen aufgege

ben werden, daß Blut und Tod dazugehören. Gerade letzteres stellt er immer wieder in seinen Bildern dar. Und die Trauer, die Ohnmacht, die folgt, wenn die Toten zu Hause aufgebahrt sind. Es sind beklemmende Szenen, doch nie aufdringlich oder gar polemisch. Behkalam klagt nicht an. Er konstatiert eine Situation, führt sie klar und deutlich vor Bildbetrachter-Augen - das genügt.

Genauso macht er es mit den alltäglichen Begebenheiten in Berlin. Er beobachtet die hoffnungslose Existenz von Wohnungs-und Arbeitslosen. Ebenso wie die der Asylbewerber. Mit einem einzigen Bild verdeutlicht er deren elende Lage und die beschämende Einstellung vieler Deut

scher gegenüber Ausländern: „Wir wollen nicht die Juden von morgen sein“, malte er 1982 , und es zeigt drei vermutlich türkische Männer, die Köpfe geduckt, die Schultern hängend, auf der Stirn den Judenstern, im Hintergrund Graffiti Juden raus.Ein Bild, das fast schmerzt. Wie alle seine Arbeiten weist auch dieses weit über den historischen Moment hinaus.

Formal macht sich der Einfluß alter persischer Traditionen bemerkbar, vor allem der persischen Miniatur. In ihr sind Menschen der Landschaft gleichrangig und ornamental dargestellt. Die Bildauffassung Behkalams wiederholt das: Räumliche Weite entsteht bei ihm durch das Übereinandersetzen von Reihungen, die

Menschen immer einander gleichrangig als zu einer Masse gehörige Individuen. In den neueren Arbeiten lösen sich Umrisse auf, das Innere von Figuren wird verschwommen. Doch obwohl die Eindringlichkeit naturalistischer Details fehlt, ist die Atmosphäre von Schwermut und Kummer gleichgeblieben.

Das Thema 1848 schließlich, für das Behkalam monatelang Bibliotheken und Archive durchstöberte, ist vor allem durch ein gewaltiges Tryptichon mit übermalten Lithografien aus dem 19. Jh. gegenwärtig, dem es aber im Vergleich zu den 1976 - 1988 Arbeiten an Schärfe und Intensität fehlt.

Beate Naß