: Herr Professor haben belästigt
■ Berliner Gericht bestätigte sexuelle Belästigung von Studentinnen durch ihren Gynäkologie-Professor / Freispruch für Studentin vom Vorwurf der Verleumdung / Folgen jetzt Disziplinarmaßnahmen der FU?
Berlin (taz) - Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat es nach zweitägiger Verhandlung als erwiesen angesehen, daß der 64jährige Medizinprofessor Horst L. bei der Ausübung seiner Lehrtätigkeit mehrere Studentinnen sexuell belästigt hat (s. taz vom 20.7.88). Eine Studentenvertreterin, die im vergangenen Jahr auf einer Fachbereichssitzung öffentlich den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen den Professor L. erhoben hatte, wurde von dem Gericht vom Vorwurf der Verleumdung und üblen Nachrede freigesprochen. Für Gynäkologieprofessor L., der die Studentin deshalb angezeigt hatte, wurde seine gerichtliche Klage so zu einem Bumerang.
Die Zeuginnen, die Professor L. als Nebenkläger präsentiert hatte, hätten nicht entkräften können, was zuvor in dem Prozeß mehrere Medizinstudentinnen ausgesagt hatten, befand das Gericht. Die Frauen hatten sowohl von diskriminierenden Bemerkungen L.s über verschiedene weibliche Busenformen als auch von Anspielungen auf ihre Geschlechtsorgane und körperlichen Zudringlichkeiten berichtet. L. selber hatte als „Gegenbeweis“ seine Sekretärin in den Zeugenstand zitieren lassen, die bescheinigte: „Bei uns ist es immer sauber zugegangen.“ Rund 40 frischgebackene Gynäkologie -Studentinnen hatte L. außerdem um eine Art schriftliche „Ehrenerklärung“ gebeten. Der Professor hatte sich in dem Verfahren selbst als „großen Frauenfreund“ bezeichnet. Er sei von der Studentin „hinterhältig und gemein“ unmöglich gemacht worden. L.s Anwalt hatte beklagt, die Studentin sei „auf schlimme Weise mit der Ehre eines Mannes umgegangen“. Von sexueller Belästigung könne keine Rede sein, denn das sei keine subjektive Sache, „sondern das, was ein vernünftiger Mensch objektiv als das empfindet.“
Der Prozeß hatte in Berlin Aufsehen erregt, weil erstmals in der Öffentlichkeit auf das Problem der sexuellen Belästigung an den Universitäten hingewiesen wurde. Bis gestern war noch unklar, ob die Medizinstudentinnen nach dem Freispruch nun ihrerseits gerichtlich gegen den Professor vorgehen werden. Unsicher ist auch, ob nun, nach dem indirekten Schuldspruch des Gerichts, die Freie Universität als Dienstherr disziplinarische Maßnahmen gegen den Medizinprofessor ergreifen wird. Nun, so hatte die Anwältin der angeklagten Studentin schon in dem Prozeß gefordert, sei es Zeit, den Konflikt wieder in die Universität zurückzugeben und dort über die „Ehre des Professors“ zu reden.
Langguth/Ve.
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