: Neue Heimat in den Neuen Medien?
Jahrelang hat der DGB gegen die Einführung von kommerziellem Fernsehen und Radio gewettert / Jetzt hat er Hand in Hand mit der SPD Millionen in den Privatfunk investiert / Der Deal lief unter strenger Geheimhaltung ab / Die Gewerkschaftsbasis reibt sich verwundert die Augen: „Wir haben null Informationen“ ■ Von Peter Turi
Die Sache war professionell eingefädelt und kunstvoll getarnt. „Wie investieren wir Gewerkschaftsmillionen, daß es der Öffentlichkeit verborgen bleibt?“ lautet die Frage, die sich Hans Matthöfer, Chef der Gewerkschaftsholding BGAG, und sein Finanzvorstand Rolf-Jürgen Freyberg stellten, seit das SPD-nahe Kommerzfunk-Unternehmen „Lokal-Regionalradio GmbH&Co. KG“ in Bonn um Unterstützung für seine breit gestreuten Beteiligungen an Privatradios nachgekommen war.
Die Antwort hätte kaum kapitalistischer ausfallen können. Die Millionen fließen über eine Zwischenholding und werden nicht als normale Gesellschafteranteile registriert, sondern als spezielle Kredfitform, bei der der Kreditgeber direkt an Gewinn des Kreditnehmers beteiligt ist. Unternehmen benutzen diese verdeckte Form der Beteiligung vor allem dann, wenn sie als Geldgeber nicht in Erscheinung treten wollen. Anders als eine Beteiligung an einer Gesellschaft muß der sogenannte „partiarische Kredit“ nicht ins Handelsregister eingetragen werden. Die erhoffte Folge des Schleiertanzes: DGB und BGAG hätten ihren Einstieg ins Neue-Medien-Geschäft kaschieren können.
Doch es kam anders. Die kleine Fachagentur für Medienberichte PBM brachte die Facts an den Tag: Die „Vermo Vermögensgesellschaft mbH“ mit Sitz in Frankfurt hat der Bonner PrivatfunkHolding „Lokal-Regionalfunk GmbH & Co. KG“ zwei Millionen Mark als Kredit gegeben. Die Verhandlungen liefen bereits seit Herbst vergangenen Jahres, der Vertrag wurde Anfang Juli unterzeichnet, das Geld wird in diesen Tagen auf dem Konto der „Lokal-Regionalfunk GmbH“ eingehen.
Bisher war der Unternehmensbereich der SPD - das sind die Reste des bis in die 60er Jahre hinein bedeutenden Presse -Imperiums der Sozialdemokraten - über die Tochtergesellschaft „Printmedien KG“ größter Geldgeber von „Lokal-Regionalfunk“. Die „Lokal-Regionalfunk“ hält Beteiligungen an privaten, regionalen Hörfunkstationen. Es sind dies:
-7,5 Prozent am Heidelberger Regionalsender „Radio Regenbogen“. Weitere Gesellschafter sind hier unter anderem Springer, Holtzbrinck und die örtlichen Verleger;
-17 Prozent des Regionalsenders Ulm von „Radio 7“, mit dabei: Holtzbrinck und die Verleger der Tageszeitung 'Südwestpresse';
-100 Prozent an „Radio Neufunkland“, das täglich zwischen 14 und 19 Uhr von Reutlingen aus im mittleren Neckarraum um Stuttgart zu hören ist;
-100 Prozent der „Werbe- und Programm GmbH“ in Bonn. Zu dieser gehört der „Radio Dienst Bonn“, der direkt gegenüber dem Abgeordnetenhaus ein Studio betreibt, von wo Funk -Berichte aus Bonn produziert werden. In Hessen, Saarland und Schleswig-Holstein strebt die im November 1986 in Wiesbaden gegründete „Lokal-Regionalfunk“ Beteiligungen an zukünftigen privaten Hörfunksendern an. In Berlin war sie mit 17 Prozent am alternativen „Radio 100“ beteiligt, hat sich nach einem Streit jedoch - vorläufig - zurückgezogen. Außerdem beabsichtigt die Holding, den Linksrheinischen Rundfunk in Mainz zu übernehmen. Der sendet täglich zwischen 16 und 17.15 Uhr im Rahmen der privaten Rheinland-Pfalz -Welle Radio 4. Ursprünglich von pfälzischen SPD-Genossen gegründet, ist er nach heftigen Streits verschiedener Gruppierungen innerhalb der SPD bereits im Februar 1987 von eben jener „Printmedien KG“ übernommen worden, die auch größter Geldgeber der „Lokal-Regionalfunk„-Holding ist. „Im Auftrag des SPD-Parteivorstandes“, wie es im Übernahmevertrag heißt. Geschäftsführer Ulrich Hürter und Ex -Juso-Finanzchef, sieht „rein wirtschaftliche Gründe“ für den SPD-Einstieg. Vom ursprünglichen Anspruch des Linksrheinischen Rundfunks, ein Programm zu machen, in dem die Themen und Gruppen zu Wort kommen, die sonst zu kurz kommen, hält Hürter „überhaupt nichts“. Außerdem: „Bei uns sind die Strukturen eher klassisch und konservativ.“ Das hörte sich etwas anders an, als Peter Glotz - der auch heute noch der Medienkommission der SPD vorsitzt - 1984 die medienpolitische Wende der SPD einleitete. „Mitmachen statt mosern“ war von da an die Parole. Die SPD sollte mithelfen, „kritische Alternativen zum Kommerzfunk“ auf Sendung zu bringen.
So bewilligte der Aufsichtsrat des SPD-Unternehmensbereichs in aller Stille Anfang 1987 rund zwei Milionen Mark für Privatfunk-Initiativen der „Lokal-Regionalfunk“ in Baden -Württemberg. Inzwischen sollen weitere Millionen geflossen sein. Ulrich Hürter rechnet für alle bundesweiten Beteiligungen, die noch realisiert werden sollen, einen Einstiegsfinanzbedarf von sechs bis zehn Millionen Mark.
Das schien denn auch den Sozialdemokraten ein bißchen zuviel, um die Summe allein aufzubringen. So wurde über persönliche Kontakte der 2-Millionen-Kredit des DGB eingefädelt. Eine wichtige Rolle dürfte dabei Hans Matthöfer gespielt haben: der jetzige BGAG-Chef hatte sich bereits als SPD-Schatzmeister für eine Unterstützung des Linksrheinischen Rundfunks eingesetzt.
An der Gewerkschafts-Basis stößt der Deal auf ungläubiges Staunen: „Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, war die Reaktion des DGB-Sprechers für Nordrhein-Westfalen, Rainer Hesels. Auch drei Tage später hatte Hesels „null konkrete Informationen“. „Dazu können wir nix sagen, weil's ja über diese Holding lief“, war unisono bei der IG Medien und bei der Rundfunk- und Fernseh-Union (rffu) zu hören. Seine persönliche Meinung formulierte ein Gewerkschafter „aber bitte ohne Namensnennung“: „Die zwei Millionen sind zum Fenster rausgeworfen. Das Geld sehen die nie wieder.“
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