: Bertolt Brecht als Starthilfe
■ Zur Berichterstattung über die antifaschistische Demonstration gegen den Überfall in der Neustadt - vgl. taz Bremen, 25.Juli
Zu Anfang ein Brecht-Zitat:
„Der scheinbar objektive 'linke‘ bürgerliche Skeptiker erkennt nicht oder will nicht erkennen lassen, daß er in diesem großen Kampfe mitkämpft, indem er die permanente, aber durch den Usus langer Zeit dem Bewußtsein entrückte Ausübung der Gewalt durch eine kleine Schicht nicht Kampf nennt.
Es ist notwendig, dieser besitzenden Schicht, einer entarteten, schmutzigen, objektiv und subjektiv unmenschlichen Clique, sämtliche 'Güter idealer Art‘ aus den Händen zu schlagen, gleichgültig, was eine ausgebeutete, am Produzieren gehinderte, sich gegen das Verkommen wehrende Menschheit mit diesen Gütern weiterhin anzufangen wünscht.
Zuerst muß unter allen Umständen diese Schicht jeden Anspruchs auf menschliches Ansehen verlustig gesprochen werden. Was immer weiterhin 'Freiheit‘, 'Gerechtigkeit‘, 'Menschlichkeit‘, 'Bildung‘, 'Produktivität‘, 'Kühnheit‘, 'Zuverlässigkeit‘ bedeuten sollen - bevor diese Begriffe nicht von allem gereinigt sind, was ihnen von ihrem Funktionieren in der bürgerlichen Gesellschaft anhaftet, werden siecht mehr gebraucht werden dürfen.
Unsere Gegner sind die Gegner der Menschheit. Sie haben nicht 'recht‘ von ihrem Standpunkt aus: das Unrecht besteht in ihrem Standpunkt.
Sie müssen so sein, wie sie sind, aber sie müssen nicht sein.
Es ist verständlich, daß sie sich verteidigen, aber sie verteidigen den Raub und die Vorrechte, und verstehen darf hier nicht verzeihen heißen.
Der dem Menschen ein Wolf ist, ist kein Mensch, sondern ein Wolf.
'Güte‘ bedeutet heute, wo die nackte Notwehr riesiger Massen zum Endkampf um die Kommandohöhe wird, die Vernichtung derer, die Güte unmöglich machen.“ (Bertolt Brecht, 1932)
Was B.B. in dem letzten Satz schreibt, wird auch von Klaus Wolschner sicher nicht mißverstanden. Wenn aber einige Demonstranten eines bunten Spektrums unter anderem auch die Parole „Tod den Faschisten“ rufen, gibt es kein Verstehen und Pardon.
Die Demo wird in der Taz-Bremen zerrissen und im Kommentar wird besorgt gefragt: „Tod dem Faschismus - wie ernst dürfen wir das nehmen?“ als wenn der Faschismus am Leben bleiben soll.
Wir älteren Antifaschisten wie auch andere linke Gruppierungen und auch die Taz sollten erkennen, daß diese jungen Antifaschisten unsere Verbündeten sind. Denn wenn sie die Straßen an die Schlägerbanden der Neonazis verlieren, wird es auch für uns schlimm aussehen.
Und haben wir überhaupt das Recht, diese jungen Menschen zu kritisieren, wo doch alle unsere eigenen Wege zur Zerstörung unserer Erde führen?
Und nun kommen kleine Gruppen von jungen Menschen und versuchen neue Wege zu gehen. diese Wege müssen uns unausgegoren, chaotisch und kindlich erscheinen und sie sind es wohl auch. Aber gerade darum können einige dieser Hundert zu gehenden Wege, Modelle für die Zukunft werden.
Was sollen diese jungen Menschen noch von uns lernen? Wir können sie aber wohlwollend begleiten.
Ludwig Baumann
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