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WASSERENTHÄRTER

■ „Wasserlinie“, Bildhauersymposium am Strandbad Wannsee

„Wunderbar, ganz wunderbar“ fand ein Wilmersdorfer Ernährungshelfer den marmornen Glanz des Labradors und legte seine gepflegten Patschhände in die auspolierten Rillen. Schweiß glitzerte auf seiner geröteten Weißhaut, aber er zögerte das Bad im Wannseewasser noch hinaus. Denn unverdrossen freundlich erzählte die Bildhauerin Claudia Amman vom Eigenleben des schwarzen Steins, während sie ebenso unverdrossen vor sich hin rubbelte. Sie schwitzte nicht, obwohl sie mit ihrer Schmirgel-Assistentin und einem leicht orientierungslos herumforschenden Journalisten (der sein Fernglas endlich zur Inspizierung der probekreuzenden Spektakelfrachter gebrauchen konnte) die einzig Angezogene im Strandbad war. Die anderen vier Labradore lagen würdevoll wie versteinerte Urechsen im von der Ostsee importierten Sand. Die künstlerische Hand- und Flexanlegung schien auf ein bescheidenes Minimum beschränkt, die Künstler verschwunden, so daß man das Kunstwollen aufs angenehmste ignorieren konnte. Eine Steilwand keilte einen Schattenfleck ein, eine glattpolierte Schräge eignete sich zum Handtüchertrocknen. Der vorderste Wasserlinien-Monolith firmierte als fester Feuchtstützpunkt im grünschwappigen Wasser, die anderen markierten Kleinfamilienlager. Allein der weiße Sandstein, den Isolde Haug mit Leibergetümmel reliefartig behaut, fiel aus der Reihe allgemeiner Akzeptanz. Zu penetrant menschelt sich da das Gestaltete aus dem Gestein, zu ähnlich vielleicht einfach dem Naturalismus der Badegäste. Aber das stört auch weiter nicht. Die Wespen kreisen um die Mülleimer, der Pflaumenkuchen schmeckt wahnsinnig und wer will sich da schon über Kunst aufregen, zumal wenn sie so volksnah erwerkelt wird.

Vogel

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