Hussein löst Abgeordnetenkammer auf

■ Jordanischer König gibt keine Erklärung ab / Die Hälfte der Unterhausmandate ist für Westbank-Abgeordnete vorgesehen / Auflösung vermutlich Reaktion auf Kritik arabischer Staaten an jordanischer Westbank-Politik

Amman (afp/wps/taz) - König Hussein von Jordanien hat am Samstag entschieden, die Abgeordnetenkammer des jordanischen Parlaments aufzulösen. Er gab zunächst keine Erklärung für diesen Schritt, ließ aber ankündigen, daß er am Sonntag abend eine „für die Nation wichtige Rede“ halten werde. Nach britischem Vorbild besteht das Parlament aus dem mit gewählten Vertretern besetzten Unterhaus und dem von Hussein eingesetzten Oberhaus oder Senat. Die Hälfte der Mandate des Unterhauses ist nach der jordanischen Verfassung für Abgeordnete aus der israelisch besetzten Westbank vorgesehen.

Bereits am Donnerstag hatte Hussein einen Westbank -Entwicklungsplan mit einem Finanzvolumen von über 1,4 Milliarden Dollar annulliert. Mit der Auflösung des Parlaments nimmt Hussein auch seine Verantwortung für die 13.000 Angestellten der Zivilverwaltung in der Westbank zurück. Seit 1967 finanziert Jordanien trotz der israelischen Besetzung das Schul- und Gesundheitssystem der Westbank, stellt den Bewohnern jordanische Pässe aus und erlaubt die Ein- und Ausreise über die Jordan-Brücke bei Jericho.

Dem Königspalast nahestehende Kreise erklärten am Wochenende, die Entscheidung Husseins sei eine Reaktion auf die Kritik arabischer Staaten und der PLO an der jordanischen Westbank-Politik, die nicht die Rolle der PLO als einzige legitime Vertretung der Palästinenser berücksichtige. Hussein hatte schon einmal, im November 1974, die Abgeordnetenkammer aufgelöst, nachdem die Arabische Liga die Ansprüche der PLO auf das Alleinvertretungsrecht für die Palästinenser anerkannt hatte. Noch bei der Einberufung des jetzigen Parlaments im Januar 1984 hatte Hussein seinen Souveränitätsanspruch über die Westbank bekräftigt.

Der politische Einfluß des Königs auf die Lage in der Westbank war in den letzten Monaten mit der Ausweitung der Intifada (Aufstand der Palästinenser in von Israel besetzten Gebieten) auf ein Minimum zurückgegangen. Traditionell pro -jordanische Figuren der politischen Elite in der Westbank wie der Bürgermeister von Betlehem, Elias Freij, sind inzwischen völlig isoliert und haben im Vergleich mit der „Vereinigten Führung der Intifada“, die sich eindeutig auf die PLO bezieht, jeglichen Einfluß verloren.

Im Mai hatte der Sondergipfel der Arabischen Liga in Algier beschlossen, der PLO einen Fonds von einigen Hundert Millionen Dollar zur Verfügung zu stellen, um die Intifada fortsetzen zu können. Die israelischen Besatzungsbehörden haben bisher zwar die Überweisungen jordanischer Gelder in die Westbank nicht unterbunden, hingegen aber eindeutig erklärt, daß die PLO keine Chance habe, Finanzmittel in die besetzten Gebiete zu transferieren. Nach Meinung von Beobachtern in Amman ist die Parlamentsauflösung ein taktischer Schritt Husseins, der zeigen soll, daß die PLO die ihr übertragene Verantwortung für die Westbank nicht ohne jordanische Hilfe leisten kann.

Der für die Westbank verantwortliche Leiter der jordanischen Gesundheitsbehörde, Yasser Obeid, erklärte am Sonntag: „Wir sagen der palästinensischen Führung, wenn ihr uns nicht haben wollt, ist das OK. Wer wird aber darunter leiden? Euer Volk!“ Die PLO-Führung traf sich am Sonntag unter Leitung von Arafat in Bagdad, um die neue Situation zu diskutieren und kündigte eine „baldige Grundsatz-Erklärung“ an.

thore