piwik no script img

RichterIn werden ist nicht schwer

■ Parteien suchen BürgerInnen, die ehrenamtliche RichterInnen bei den Verwaltungsgerichten werden wollen / In den eigenen Reihen finden sie zuwenig InteressentInnen

Ein ganz ungewohnter Sinn für Bürgernähe hat die Parteien in einigen Bezirken ergriffen. Sie suchen BürgerInnen, die ehrenamtliche RichterInnen am Verwaltungsgericht oder beim Oberverwaltungsgericht werden wollen. „Mitglied der Christdemokraten müssen Sie nicht sein“, versicherte gestern die Reinickendorfer CDU in einem Aufruf. Wer sich mit Name, Adresse und Telefon, sowie Angaben zu Alter, Beruf, Geburtstag und -ort meldet, den will die Partei unbesehen für das Amt vorschlagen. „Es gibt zuwenig Freiwillige“, erläuterte gestern der CDU-Kreisvorsitzende Jaenichen. Allein aus Reinickendorf müssen für die neue Wahlperiode 132 Namen kommen, in ganz West-Berlin sind es um die 1.000 ehrenamtliche RichterInnen, die ab dem 1.Januar wieder vier Jahre lang für diesen Posten gebraucht werden.

Erstmals haben die Parteien Schwierigkeiten, die Vorschlagslisten zu füllen. Sie haben traditionell das Vorschlagsrecht. In den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) werden die Vorschlagslisten erstellt. Ein Vertrauensleuteausschuß des Abgeordnetenhauses - ebenfalls von den Parteien beschickt - ernennt dann die Richter auf Zeit.

„Bedenklich“ sei dieses Verfahren, meinte kürzlich der rechtspolitische Sprecher der SPD, Gerl. Es würden nur Parteimitglieder nominiert, klagte er. Doch auch ihn hatten, wie er auf Anfrage jetzt einräumte, nicht nur edle Motive zu seinem Vorstoß getrieben. Denn auch Gerls Schöneberger SPD -Kreisverband fand - ebenso wie die Bezirksverbände von CDU und AL - „erstmalig“ nicht genügend InteressentInnen in den eigenen Reihen. Von den wenigen, die dennoch Interesse zeigten, erfüllten kaum welche die Voraussetzungen: Die RichterInnen müssen mindestens 30 Jahre alt sein, sie dürfen weder im Parlament sitzen noch im öffentlichen Dienst arbeiten. Denn die Verwaltungsgerichte sind ja gerade für Klagen gegen die Behörden zuständig - von Bürgern gegen die Genehmigung umweltgefährdender Bauprojekte, von Ausländern gegen ihre Ausweisung.

Daß ehrenamtliche RichterInnen für das Verwaltungsgericht nicht, wie Schöffen für Strafprozesse, nach dem Zufallsprinzip aus den Einwohnerlisten gefischt werden, hat eigentlich seinen guten Grund. Hier müsse man „höhere geistige Anforderungen“ stellen, wird in den Justizbehörden erläutert. Wenn die BerufsrichterInnen die FreizeitrichterInnen nicht ernstnehmen und aufklären, könnten diese sich kaum ein eigenes Urteil bilden, erläutert der Rechtssoziologe Ekkehard Klausa. Allerdings sei es „auf diesem Feld leicht, selbst Juristen zu Puppen zu machen“. Selbst die beisitzenden Berufsrichter „kuschen“ in der Regel vor dem vorsitzenden Richter, meint ein bekannter Berliner Anwalt. Die FreizeitrichterInnen hätten da erst recht kaum einen Einfluß. Die Parteien hatten diese Tatsache immer schon berücksichtigt. Ende der sechziger Jahre stellte Klausa in einer Untersuchung fest, daß die Parteifunktionäre neben unbedeutenden Parteimitgliedern vor allem ihre Verwandten auf die Listen gesetzt hatten. Heute, das wird in den Parteien bestätigt, ist es nicht viel anders.

hmt

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen