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Keinen Nutzen - nur Gewinn

■ Der Autor von „Die zweite Schuld oder von der Last, ein Deutscher zu sein“ hat die Kosten des neuen Kampfflugzeuges „Jäger 90“ nachgerechnet

Ralph Giordano 1.

Dem bundesdeutschen Steuerzahler steht ein Milliarden-Ding ins Haus - der Jäger90!

Was ist das?

Der Jäger90, auch EFA-90 genannt (European Fighter Aircraft) soll das neue europäische Kampfflugzeug der neunziger Jahre werden. Beteiligt sind Großbritannien, Italien, Spanien und die Bundesrepublik Deutschland - sie, eine von Vieren, mit einem Drittel der Kosten. Der Jäger90 soll die F-4 Phantomjäger der Luftwaffe ablösen und die modernste Kriegsflugmaschine der Welt werden. Bundesdeutsche Hersteller sind die Flugzeugbauunternehmen von Messerschmidt -Bölkow-Blohm (MBB) und die Dornier-Werke. Der Prototyp des Kampffliegers soll 1991 fertiggestellt sein und 1996 von der Luftwaffe der Bundeswehr übernommen werden. Den Startschuß gab der Verteidigungs- und Haushaltsausschuß am 4.Mai 1988 in Bonn, mit den Stimmen der Regierungskoalition und gegen das Votum der SPD. Die Grünen waren gar nicht erst aufgekreuzt. Aber auch manchem Vertreter der Koalition war eingestandenermaßen nicht wohl dabei gewesen.

Kein Wunder, denn was da auf sie und uns zukommt, ist in seinen Folgen noch gar nicht abzusehen. Bereits das Überblickbare aber schreckt schon mehr als ab: Jäger90 wird das teuerste Objekt der an teuren Objekten wahrlich nicht armen Geschichte der bundesdeutschen Rüstungsindustrie. Aus vorsichtig raunenden Mündern erfahren wir, daß die bloße Entwicklung des EFA-90 6,1 Milliarden Mark kosten wird. Der bundesdeutsche Anteil an den Produktionskosten - 60 Prozent MBB, 40 Prozent Dornier - wird heute mit 16,5 Milliarden angesetzt. Das wären schon stolze 23Milliarden, vorausgesetzt, daß der gegenwärtig geplante Stückpreis von 83 Millionen Mark pro Maschine erhalten bliebe. Das ist jedoch mehr als unwahrscheinlich, wie das warnende Beispiel des Mehrzweckkampfflugzeugs Tornado bewiesen hat. Dieser Flieger, in den sich damals Großbritannien, Italien und die Bundesrepublik teilten, hat den Bonner Finanzen der siebziger Jahre schwer zugesetzt. Sollte er zu Anfang jenes Jehrzehnts noch 28 Millionen pro Stück kosten, war der Tornado bis 1980 schon auf 67Millionen geklettert und hat sich heute auf 80 Millionen eingespielt. Die Maschine wird bis 1992 gebaut werden. Die Gesamtsumme, die der bundesdeutsche Steuerzahler bisher für das Tornado-Programm aufzubringen hatte, beträgt 33 Milliarden Mark. Eingeplant war ursprünglich genau die Hälfte dieses Betrages. 2.

Wie überhaupt soll die Kampfmaschine des kommenden Jahrzehnts bezahlt werden? Von welchem Geld. Der SPD -Abgeordnete Rudi Walter, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag, sieht die Finanzierung des Jägers90 „im Ungewissen“. Aber auch Gutwilligere mit zuverlässigerer Parteimitgliedschaft klagen vor sich hin, und das nicht erst seit heute: „Im Flugzeugbauprogramm JF 90 setzt Verteidigungsminister Wörner auf den lieben Gott, der das Geld schon schicken wird.“ Das Wort stammt nicht von Otto Schily, sondern stand in der Hardthöhe-freundlichen Zeitschrift 'Wehrtechnik‘, und zwar schon 1983. Inzwischen ist Wörner bekanntlich das zivile NATO-Oberhaupt geworden, so daß sich nun sein Nachfolger Rupert Scholz plagen muß. Auf ihn kommt ein Zahlendilemma zu, das bereits zur Beunruhigung unter den Generälen der Bundeswehr geführt hat: schon im kommenden Jahr werden ihr einige hundert Millionen Mark fehlen (Rudi Walter meint: just jene 500 Millionen, die im Jahre 1989 für die Entwicklung des EFA-90 vorgesehen seien). Die Sorgen werden von unverdächtigerer Seite bestätigt. Die Regierung Kohl will nämlich das Budget der bundesdeutschen Streitkräfte um weniger als drei Prozent pro Jahr wachsen lassen, während die Kostenschätzungen für den Jäger90 interessanterweise von einer 4,8prozentigen Rate jährlich ausgehen. Das ergäbe schon bis 1991 ein Defizit von 800 Millionen Mark im Verteidigungshaushalt.

Dies ist nicht etwa eine - natürlich ablehnungsbestimmte Hochrechnung von mir, sondern die des über jeden Zweifel erhabenen Bundesrechnungshofes. Der hat sogar noch was ganz anderes entdeckt als nur Finanzlücken.

So etwa, daß der Jäger90, der bis jetzt schon eine ganze Menge gekostet hat, großenteils nur in den Hirnen von Technikern, Konstrukteuren und Wissenschaftlern besteht, noch nicht einmal zu Papier gebracht ist. Auch daß das Triebwerk noch entwickelt werden müsse und deshalb niemand weiß, wie es beschaffen sein werde. Und daß ganz offenbar die zusätzlichen Mittel für zeitliche und technische Risiken von den Verantwortlichen zu niedrig berechnet worden seien. Verständlicherweise, müßte man an diesem Punkt dem Bundesrechnungshof entgegenhalten, denn MBB, Dornier und ihre Politlobby können natürlich in keiner Weise daran interessiert sein, daß die Öffentlichkeit schon aufschreit zu einer Zeit, da möglicherweise noch was zu retten, das heißt das ganze Unternehmen EFA-90 abzubrechen wäre. Die Befürchtungen der Hersteller werden umso berechtigter, als von den Vertretern der besagten Prüfungsbehörde warnend erkannt wurde: die überaus anspruchsvolle Technologie des Jägers90 berge noch viele andere „riskante Entwicklungen“ in sich, und überhaupt, das Verteidigungsministerium habe den Stückpreis von 83,2 Millionen viel zu niedrig angesetzt.

Da darf dann wohl, angesichts solcher amtlicher Recherchen, jeder potentiell mitfinanzierende Steuerzahler, also auch ich, zaghaft zu bedenken geben, daß noch so manche Entwicklungsmark zu den 6,1 Milliarden eingeplanten hinzukommen wird, ganz zu schweigen von den Additionen des Stückpreises.

Das alles hat der Wörner dem Scholz eingebrockt, und auf den kommen nun fürchterliche Beschwernisse zu.

Welche?

Die Bundeswehr fordert 250 Jäger90, könnte aber nur 150 bekommen, wenn die am 4.März 1988 verabschiedeten Kostenpläne eingehalten werden sollen. Unterstellt man einen Kompromiß von 200 Kampfmaschinen des Typs, und dies auf der Basis der vom Verteidigungsministerium angesetzten Kostensteigerungsrate von nur drei Prozent, dann würde die Gesamtsumme für den Jäger in den nächsten zehn Jahren schon von 23 auf über 40 Milliarden Mark anschwellen. Käme es zu den geforderten 250 Maschinen, dann beliefe sich die Gesamtsumme gar auf 52 Milliarden.

Aber das ist noch nicht alles. Denn die ersten Jäger90 werden eher fertig sein als das Triebwerk, so daß kostspielige Zwischenlösungen nötig werden. Und schließlich

-auch das Radarsystem, ohne das der ganze Flieger operationsunfähig wäre, existiert noch nicht. Der Rechnungshof aber warnt abermals: Die Entwicklung eines neuen europäischen Radars berge viele, auch finanzielle Risiken in sich. Last not least - es wäre gefährlich, das Gewicht des Jägers90 unter zehn Tonnen zu halten. Wöge er aber mehr, so müßte er schon nach zwei Minuten umkehren, um aufzutanken, da die Maschine zuviel Sprit verbrauchte. Die geeigneten Baumaterialien, um da herauszukommen, sind noch nicht gefunden.

Und zu aller-, allerletzt: Was der Jäger90, für den der bundesdeutsche Steuerzahler bisher schon 500 Millionen Mark geblecht hat, überhaupt können soll - auch das weiß bisher niemand so genau. 3.

Jetzt ist es genug, übergenug!

Dieser Feuervogel ist nicht nur stinkteuer, er ist auch überflüssig wie ein Kropf. Er trägt zu nichts anderem bei, als der inzwischen gigantisch aufgeblähten bundesdeutschen Rüstungscamorra einen der fettesten Brocken zuzuschanzen, den es in der traurigen und überaus suspekten Geschichte dieser blutbeladenen Branche je gegeben hat. Man muß kein Fachmann sein, um zu erkennen, daß der militärische Wert dieses Planungsmonsters gleich Null ist. Nichts wird er bewirken, gar nichts, weder so noch so. Nach weiteren zehn Friedensjahren werde ich diesen Artikel wieder hervorholen und fragen: „Na und?“ Wird dann wirklich jemand behaupten, es sei auch dem Jäger90 zu verdanken, daß unsere freiheitlich-demokratische Grundorndung erhalten geblieben ist?

Das Milliarden-Ding bringt keinen Nutzen, sondern nur Kosten und - Gewinne. Es sind die Rüstungsbosse selbst, die die Katze aus dem Sack lassen. Hanns Arnt Vogels, Vorsitzender der MBB-Geschäftsführung und Präsident des Bundesverbandes der deutschen Luftfahrt-, Raumfahrt- und Ausrüstungsindustrie vor der Stiftung des Haushalts- und Verteidigungsausschusses vom 4.Mai dieses Jahres mit drohendem Imponiergehabe: „Das Jagdflugzeug der Zukunft ist nicht nur aus militärischen Gründen notwendig. (!, R.G.) Die Entscheidung für dieses Projekt ist zugleich auch die unabdingbare Existenzsicherung der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie weit bis ins nächste Jahrhundert.“

Da haben wir sie, selten schamlos und offen - die Erpressung mit den Arbeitsplätzen! Ja wo sind wir denn? Sind wir denn wirklich wieder so weit wie nach 1933, daß es der Aufrüstung bedarf, um die Arbeitslosen von der Straße zu holen? Daß wir uns die verlogene Alternative „Rüstung oder noch mehr Arbeitslosigkeit“ aufschwatzen lassen von denen, die ihre Felle davonschwimmen sähen, wenn bei uns weniger Waffen produziert werden würden? Sind wir denn, abermals, bereit, mit dem Argument „Arbeitsplätze“ alles, aber auch alles zu rechtfertigen - eingeschlossen den Wahnsinn des Jägers?

Wider die bundesdeutschen Abrüstungsverhinderer!

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