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Abbruch bei Sprengel

Trotz der Mietverträge waren in Hannover in der ehemaligen Sprengelfabrik zwei Tage lang Abbruchtrupps im Einsatz / Unter dem Schutz prügelnder Polizisten  ■  Aus Hannover Wolfgang Becker

Zerschlagene Musikinstrumente, mutwillig zerstörtes Mobiliar, ein von schweren Stiefeln zertretener Kinderwagen, ein Fernsehgerät mit eingeschlagener Bildröhre. Nichts mehr so, wie es vorher war: Bilder unmittelbar nach der polizeilichen Durchsuchung der ehemaligen Sprengelfabrik vom Montag nachmittag, der umgehend der Abriß von Teilen des Gebäudes folgte. Unter massivem Polizeischutz gingen die Abbrucharbeiten am Dienstag weiter.

„In Verfolgung von Straftätern“ - so die offizielle Begründung - waren Beamte eines Sondereinsatzkommandos in Räumlichkeiten eingedrungen, für die vor gut drei Wochen zwischen ehemaligen Fabrikbesetzern und Stadtverwaltung Verträge geschlossen worden waren. Auf einer eilends im Rathaus veranstalteten Pressekonferenz mochte am Montag der stellvertretende Polizeipräsident zu dem Vandalismusvorwurf gegen seine Beamten nichts sagen. „Wenn Sie jetzt unterstellen, daß Polizisten diese Sachbeschädigungen begangen haben, müssen wir das entschieden zurückweisen“, hieß es bei der Polizeiführung.

Tatsache ist, daß uniformierte Beamte Topfpflanzen mit dem Schlagstock vom Fensterbrett räumten, Regale umstürzten und zerdepperten. Tatsache ist ferner, auch dafür gibt es Augenzeugen, daß zu Beginn des Einsatzes, der nach städtischer Lesart ausschließlich der Sicherung von Bau- und Abrißarbeiten dienen sollte, ein gutes Dutzend Vermummter vom Dach eines Fabrikgebäudes mit Farbbeuteln warfen und Leuchtkugeln abschossen. Nach stundenlanger Durchsuchung der Räumlichkeiten vermochte die Kripo dann auch einige „gefährliche Gegenstände“ zu präsentieren, darunter angeblich „sieben Schußwaffen und sechs Präzisionszwillen“, die jetzt samt dazugehöriger Fortsetzung auf Seite 2

Munition untersucht werden sollen. Ob sich auch die Besitzer dieser ab 18 Jahre frei käuflichen Schießgeräte, die potentiellen „Straftäter“ also, dingfest machen lassen, muß bezweifelt werden. Denn aufgrund einer Einsatzpanne konnten sämtliche Verdächtige aus der in ebenen Etagen schon von Polizeikräften „in Beschlag“ genommenen Fabrik geschlossen in ein benachbartes Stadtteilzentrum gelangen.

Dafür gab es dann, neben dem Blitzabriß von Teilen des Gebäuses, noch sechs „Ingewahrsamnahmen“, der Polizeibericht nennt Widerstand und Hausfriedensbruch als Gründe. Dagegen sprechen Augenzeugen von „blinder Wut“ einzelner Beamter, die einem angetrunkenen 22jährigen bei der Festnahme den Schlagstock in den Mund geschoben hätten und einen „Opa“ noch im Polizeigewahrsam geschlagen hätten. Alle Festgenommenen waren am Montag abend wieder frei.

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