Neue Erkenntnisse-betr.: "Kontinuität und Diskontinuität",taz vom 2.8.88

betr. „Kontinuität und Diskontinuität“, taz v. 2.8.88

Die Behauptung Hans-Ulrich Wehlers, daß „die USA in der Zeit, als sie das Atommonopol hatten, kein einziges Mal damit als Drohmittel operiert haben“, stellt sich nach neueren Erkenntnissen als falsch heraus.

September 1945 wurde die erste sowjetische Atombombe detoniert. Die Nützlichkeit dieser Schreckenswaffe als Nötigung aber wurde schon März 1946 von den Amerikanern erkannt, als die USA erstmals die „Bombe“ als Bedrohungsinstrumentarium gegenüber der UdSSR im Konflikt über die Iran einsetzten.

Acht Monate später haben sie sich wieder als alleinige Atommacht aufgespielt, als ein US-Kampfflugzeug über Jugoslawien abgeschossen wurde. Auf Befehl Trumans und als deutliches Zeichen amerikanischer Nuklearmacht wurden sechs B-29 der jugoslawischen Grenze entlang stationiert. Die Atombombe wurde in ihrer Drohungsrolle wieder bei der Amtsführung des urugauaischen Präsidenten, Januar 1948, und zweimal während der Berlin-Krise, April und Juni 1948, in Einsatz gebracht.

In ihrem 1987 erschienenen und gründlich dokumentierten Buch „To Win a Nuclear War - The Pentagon's Secret War Plans“ haben die amerikanischen Professoren Michio Kaku und Daniel Axelrod 25 Vorkommnisse aufgeführt, wobei die USA zwischen 1946-1980 die Atombombe entweder als unverhüllte Bedrohung benutzt oder ihren Einsatz ernsthaft erwogen haben.

Der Jahrestag Hiroshimas nähert sich. Dabei ist hervorzuheben, daß laut inzwischen freigegebenen Dokumenten und anderen zuverlässigen Quellen (General George Marshall u.a.) die Vernichtung Hiroshimas geschweige denn Nagasakis keineswegs militärischen Zwecken diente. Die ursprüngliche Fassung eines von der US-Armee herausgegebenen und zuerst geheimgehaltenen Werkes über den Krieg gegen Japan kam zum Schluß, daß Japan sich spätestens am 26. Juni 1945 zur Kapitulation entschlossen hatte. 1948 beschuldigte der britische Wissenschaftler P.M.S. Blackett Truman und seinen damaligen Kriegsminister Stimson, eine provokative und gefährliche Politik von „atomarer Diplomatie“ zu fördern. Er hatte recht. Die angebliche Zurückhaltung der USA im Umgang mit der Atombombe entbehrt jeder Grundlage.

Ruth Turner, Frankfurt/M.

Es bedrückte mich, im Gespräch mit Herrn Wehler die frommen Schullügen unberichtigt verbreitet zu sehen:

1) Das Atombombenmonopol wurde von den USA sehr wohl als Drohmittel benutzt. Die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen beispielsweise primär zur Drohung. Die USA versuchten den in Jalta für drei Monate nach der deutschen Kapitulation festgelegten Kriegseintritt der Sowjetunion gegen Japan zu vereiteln, welcher eine absehbare japanische Kapitulation beschleunigen sollte.

In zweiter Linie waren diese Bombenabwürfe, die 400.000 Zivilisten das Leben kosteten, menschenverachtende Tests. „Das Experiment“, gab Truman am 7.8.45 bekannt, „war ein überragender Erfolg“. Hiroshima war ausgewählt worden, weil dessen bisherige Unversehrtheit ideale Bedingungen zur Messung der Destruktionskraft der Bombe bot.

In dritter Linie schließlich war die Atomisierung Hiroshimas ursprünglich synchron mit der Potsdamer Konferenz geplant, wo Truman die Reorganisation der rumänischen und bulgarischen Regierungen nach den selben demokratischen Prinzipien forderte, die in Griechenland mit Füßen getreten wurden, und zur selben Zeit, als in einigen US-Staaten die Schwarzen noch kein Wahlrecht besaßen. Bereits am 31. Juli 1945 stand die A-Bombe auf Tinian abwurfbereit zur Verfügung. Wegen des schlechten Wetters war die Anola Gay gehindert, noch während der Potsdamer Konferenz Hiroshima zu bombardieren. (...)

Intern hatte man mehrfach erwogen, Atombomben zur Durchsetzung US-amerikanischer Optionen zu verwenden. Die Ex -Militär Gouverneure Bayerns, Patton und Mac Arthur, der später mehrfach versuchte, den Korea-Krieg zu eskalieren, machten diesbezüglich eindeutige Aussagen. Selbst hohe Staats- und Militärorgane beschäftigten sich mit Präventivstrategien, in welchen die A-Bombe eine hervorragende Rolle spielte. Das „Joint Intelligence Comitee“ der US-Streitkräfte hatte bereits im November '45 20 sowjetishe Städte für die Atomisierung auserkoren, sowie einen - selbsverständlich präventiven - Angriff für den Fall gefordert, daß der industrielle und wissenschaftlche Fortschritt der Sowjetunion auf eine Fähigkeit hinweist, Verteidigungsmöglichkeiten gegen eine US-Angriff zu besitzen. (...)

Claude Muhlhausler