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Sozialstraftäter

■ Kripo will Daten von gesuchten Sozialhilfeempfängern / Datenweitergabe an die Polizei umstritten

Die Kriminalpolizei habe zunehmend Schwierigkeiten, mit Haftbefehl gesuchte Straftäter festzunehmen, deren Aufenthaltsort nur dem Sozialamt bekannt sei. Darüber beschwerte sich gestern der Vorsitzende des Landesverbands des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Gähner. Sozialamtsmitarbeiter würden immer häufiger die Mitteilung über den Aufenthaltsort gesuchter Straftäter verweigern. Die Mitarbeiter beriefen sich auf Anweisungen des Datenschutzbeauftragten und verlangten einen richterlichen Beschluß.

Nach Meinung Gähners ignorieren die Verantwortlichen damit die Rechtsprechung des Kammergerichts aus dem Jahre 1983. Das Kammergericht hatte festgestellt, daß bei der Verfolgung von Straftätern eine Offenbarungsbefugnis aus Gründen der Amtshilfe besteht, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden. Auskunft über den Aufenthaltsort von Straftätern sei keine Preisgabe geschützter Sozialdaten.

Der Datenschutzbeauftragte Garstka erklärte, die Mitteilung des Aufenthaltsortes sei überhaupt kein Problem. Dieses sei auch in einem Rundschreiben des Senats vom 22.März 1984 über die „Offenbarung von Sozialdaten im Rahmen der Amtshilfe“ erläutert worden. Problematisch sei aber, wenn die Polizei zum Beispiel um einen Anruf bittet, falls der Gesuchte im Sozialamt auftaucht. Dazu sei das Amt nicht verpflichtet.

Leitende Fachbeamte in den Sozialämtern Kreuzberg und Spandau teilten übereinstimmend mit, daß ihre Mitarbeiter hinsichtlich der Weitergabe von Daten im Rahmen der Amtshilfe verunsichert und zurückhaltend seien.

Der Sprecher des Innensenators, Birkenbeul, erwartet von den Sozialämtern die Beachtung des Rundschreibens. Die derzeitige Anschrift müsse bekanntgegeben werden. Er räumte ein, daß die Frage, ob auch ein Aufenthalt im Sozialamt der „derzeitige Aufenthaltsort“ ist, umstritten sei.

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