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Hotel „Zum Aussiedler“

■ In diesem Jahr kamen mehr als 10.000 Umsiedler und Aussiedler in die Stadt - Klingbeil darf verdienen am sozialen Notstand - Bebauungsplan muß geändert werden

Etwa 1.000 Wohnungen pro Jahr zusätzlich vorwiegend für Aussiedler und Umsiedler will der Senat bauen. Dies teilte Sozialsenator Fink gestern mit. Außerdem soll eine Ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die noch in dieser Woche ihre Arbeit aufnimmt, die vielfältigen Probleme angehen, die etwa 10.000 Aus- und Umsiedler, die im Lauf dieses Jahres in die Stadt kamen, verursachen. Fink gab zu, daß sie eine Belastung für den Wohnungs- und Arbeitsmarkt darstellen, betonte aber erneut, daß es auch eine „Chance“ für die Stadt sei.

Das zusätzliche Wohnungsbauprogramm werde mit dem Bund abgestimmt.Der zusätzliche Raum soll zwar vorwiegend, aber nicht ausschließlich den Umsiedlern zur Verfügung stehen.

Im Laufe der nächsten zwei Monate sollen 1.300 Übergangsplätze geschaffen werden. Fertighäuser will der Senat in Lankwitz und Neukölln aufstellen. Umgerüstet werden das Borsig-Gelände und das ehemalige Merkur-Kaufhaus in der Kreuzberger Lindenstraße.

Befriedigt zeigte sich Fink von der Planung der Klingbeil -Gruppe, in der Weddinger Koloniestraße ein Appartementhotel für Aussiedler zu bauen. Das Haus soll vom Arbeiter -Samariter-Bund betrieben werden und 300-400 Plätze bieten, sagte Fink. Solange Bedarf bestehe werde es als Aussiedlerhotel betrieben, später könne es als normaler Wohnraum genutzt werden. Die Klingbeil-Gruppe habe ein „günstiges“ Bauangebot gemacht. Mit einem Tagessatz von 10 Mark pro Person und Platz liege man unter der normal üblichen Kostenmiete im Sozialen Wohnungsbau. Die Appartements sollen ca. 60qm groß sein und von vier Personen bewohnt werden. Im ersten Halbjahr übernehme das Sozialamt die Kosten, später müßten die Bewohner, falls sie eigene Einkünfte haben, zwischen 150 und 200 Mark selbst tragen.

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Laut Auskunft von Weddings Baustadtrat Lüdtke (SPD) erfordern die Baupläne der Klingbeil-Gruppe eine Änderung des Baunutzungsplanes für den Block. Statt des sogenannten beschränkten Arbeitsgebietes müsse in einem künftigen Bebauungsplan erst Gewerbemischgebiet ausgewiesen werden, das grundsätzlich Wohnungsbau ermögliche. Hierzu gebe es einen einstimmigen BVV-Beschluß aus dem Jahre 1984 und schon seit Sommer 1981 andauernde Gespräche mit den entsprechenden Senatsverwaltungen über ein städtebauliches Konzept. Da ein Bebauungsplanverfahren noch nicht eingeleitet sei, bestehe theoretisch auch die Möglichkeit, daß der Bezirk für die Klingbeil-Gruppe Befreiungen von den Bestimmungen des geltenden Planungsrechts erteile. Derzeit sträube sich der Wirtschaftssenator nämlich gegen eine Änderung des Bebauungsplanes, so Lüdtke. Pieroth wolle in Berlin keinen Quadratmeter der für die Gewerbeneuansiedlung benötigten Arbeitsgebiete ohne Ersatz abgeben.

Daß die Klingbeil-Gruppe die Wohnungen später normalen Mietern anbieten will, entspricht nach den Worten Lüdtkes auch den Grundsätzen des Bezirksamtes. „Wir wollen dort kein Hotel haben, sondern Wohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau“, betonte der Stadtrat. Dem widerspreche nicht, wenn die Wohnungen für einen begrenzten Zeitraum einen „Sonderstatus“ zum Zwecke der Unterbringung von Aussiedlern erhielten. Auch die Klingbeil-Gruppe gehe von einer mehrjährigen Nutzung der Wohnungen durch die Aussiedler aus, so daß von einem üblichen Durchgangsheim nicht die Rede sein könne.

thok

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