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Für Rassentrennung riskieren sie den Bankrott

■ Weiße Bürger und Stadträte aus Yonkers im Bundesstaat New York wehren sich gegen Rassenmischung / Ein Grünstreifen in der Stadt trennt Schwarze und Weiße / Gericht ordnete Bau von Sozialwohnungen in weißen Stadtvierteln an

Yonkers/New York (wps) - Jack Treacy fühlt sich wohl zu Hause. Im Schatten stattlicher Ahornbäume genießt er auf der Veranda seines großen Hauses in Yonkers, der viertgrößten Stadt des Bundesstaates New York, den Ausblick auf die Vorstadt-Idylle seines Gartens. Doch der 53jährige Feuerwehrmann macht sich Sorgen um die häusliche Ruhe. Die Stadt soll nach einer Gerichtsanweisung hinter seinem Haus öffentlich subventionierte Wohnungen für ärmere Bürger bauen - und deren Hautfarbe ist in der Regel schwarz. Treacy betont, daß er nichts gegen „ordentliche, ehrliche, arme Schwarze“ hat. Aber seine neuen Nachbarn wären „Schwarze, die in öffentlich subventionierten Wohnungen leben. Das ist der barbarischste Menschenschlag, den es in den Vereinigten Staaten gibt.“ Treacy hat als Führer der weißen Bürgerinitiative gegen die Errichtung der Wohnungen aus Yonkers in den letzten Jahren ein Symbol des Rassismus und der Trennung von Wohngebieten nach Rassenzugehörigkeit gemacht. Dabei hat er das Gesetz gegen sich. Schon 1985 hatte der Bundesrichter Leonard Sand der Klage einer schwarzen Bürgerrechtsorganisation gegen Rassentrennung in Yonkers stattgegeben. Der Richter ordnete die Aufhebung der Apartheid in den Schulen und den Bau von 800 Sozialwohnungen in den Wohngebieten der Weißen an. Doch die Weißen wehren sich bis heute - und werden dabei von der Mehrheit des Stadtrates unterstützt.

Letzte Woche jubelten Treacy und Hunderte seiner Anhänger vor dem Rathaus, als der Stadtrat sich weigerte, eine erneute Gerichtsanweisung zum Bau der Sozialwohnungen zu befolgen. Damit riskiert der Stadtrat allerdings den Bankrott, einzelne Stadträte lange Haftstrafen. Denn Richter Sands legte der 200.000 Einwohner zählenden Stadt, die er „ein nationales Symbol für die Mißachtung von Bürgerrechten“ nannte, ein Bußgeld auf, das letzten Mittwoch mit 100 Dollar begann, sich aber täglich verdoppelt. Das bedeutet, daß die Strafe innerhalb von drei Wochen den Jahresetat der Stadt von 337 Millionen Dollar übersteigen würde.

Die Stadträte selbst wurden mit Zwangsgeldern von 500 Dollar täglich belegt. Wenn sie ihre Stimme gegen die Wohnungen nicht innerhalb von zehn Tagen ändern, werden sie in Beugehaft genommen. „Wenn es sein muß, gehe ich für 20 Jahre ins Gefängnis“, sagte dazu der stellvertretende Bürgermeister von Yonkers, Henry Spallone.

Tatsächlich hat die Rassentrennung in Yonkers schon seit Jahren System. 40 Jahre lang wurden Häuser für Schwarze ausschließlich im Südwesten der Stadt angesiedelt. Direkte Nord-Süd-Straßen gibt es in Yonkers nicht. Dafür sorgte die Nachbarschaftsorganisation eines weißen Wohngebietes, als sie einen kleinen Streifen Land aufkaufte. Der heute dicht bewachsene, gut einen Meter breite Streifen trennt die Weißen von den Schwarzen.

Diese Woche gingen die rassistischen Stadträte vor das Berufungsgericht, um gegen die von Richter Sands auferlegten Strafgelder zu protestieren. „Wir betrachten dies als einen Eingriff in unsere individuellen Rechte“, sagte der Anwalt eines Stadtrates. Das Gericht könne keinem gewählten Volksvertreter vorschreiben, wie er im Stadtrat zu stimmen habe. Einer der Richter widersprach. „Sie argumentieren, als ob Ihre Mandanten aus einem fremden Land kommen“, warf er dem Anwalt vor. „Woher hat er das Recht, die Gesetze des Landes zu verletzen?“

Dennoch ordnete das Gericht am Dienstag eine vorübergehende Suspendierung der Strafgelder an. Indessen übernahm das Land New York die Kontrolle über die Finanzen von Yonkers. „Wir müssen die Stadt vor sich selbst retten“, sagte die zuständige Beamtin Gail Shaffer. Das wird nicht leicht sein.

Jack Treacy ist eher bereit, den Bankrott der Stadt und damit den Verlust seines Jobs hinzunehmen. „Ich bin bereit, dafür in den Krieg zu ziehen“, sagt er. „Immerhin werden die Leute da unten in Südwest-Yonkers für 20 oder 30 Dollar ermordet.“

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