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Kontrolliert die Kontrolleure

■ US-Kontrolleure spionieren in der UdSSR / Probenklau vom Atomtestgelände

Es war Nacht in Semipalatinsk. Nebelschwaden hingen über der Szenerie, als dunkle Gestalten aus der Kälte kamen. Sie waren zu dritt und brachten ein laues Lüftchen aus dem Westen mit - Entspannung! Der ungastliche Ort in Kasachstan, wo der Sowjetrusse seine todbringenden Atomraketen testet, empfing den Regierungsbeamten aus Washington und seine beiden Kompagnons, wie man eine vertrauensbildende Maßnahme zu empfangen pflegt: mit offenem Visier.

Doch wie dankten die Vertreter der Freien Welt dem Reich des Bösen diese Offenheit? Geklaut haben sie und spioniert und bloßgestellt ihren Herrn Ronald Reagan, der doch in so mühseligen Verhandlungen mit dem sinistren Kremlfürsten Gorbatschow gegenseitige Kontrollen durchgesetzt hatte. Hat ihnen denn niemand gesagt, wie sich der Demokrat im real -existierenden Bolschewismus aufzuführen hat? Offenbar nicht. Denn die US-Kontrolleure rafften, was greifbar war: Gesteins- und Bodenproben vom äußerst sensiblen Atomwaffenversuchsgelände, Werkzeug und - horribile dictu! Draht. Schnell war's verpackt im Karton mit den privaten Habseligkeiten.

Doch zu der mangelnden geopolitischen Sensibilität der US -Kontrollettis gesellte sich noch eine gehörige Portion Schusseligkeit: Denn prompt wurden sie erwischt. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa bekannte denn auch zerknirscht Mister Robert Baker vom US-Außenministerium, nachdem die 'Washington Post‘ den Vorfall öffentlich machte. Eine wissenschaftliche Untersuchung der Sore hätte Aufschluß über die Stärke der verwendeten Testatomraketen geben können. Zwar, so Baker, handele es sich „absolut nicht“ um einen geplanten Versuch der USA, sich heimlich sowjetisches Material anzueignen. Aber: „Es ist keine Frage, daß wir die Vereinbarung übertreten haben.“ Nach dem Protest des sowjetischen Außenministeriums bei der US-Botschaft in Moskau wird diese Episode wohl offiziell als „Mißverständnis“ in die Annalen der Abrüstung eingehen.

taz

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