: Kongo: Die steckengebliebene Revolution
■ Nach 25 Jahren Revolution predigt Kongo die Rückkehr aufs Land / Sinkende Öleinnahmen und steigende Schuldenlast prägen Wirtschaft
Brazzaville (afp) - Auch wenn die kongolesische Staatspartei PCT am Wochenende mit großem Aufwand den 25.Jahrestag der kongolesischen Revolution gefeiert hat, die rechte Festtagstimmung will bei der Führung des Landes nicht aufkommen. Sie wird von drückenden Sorgen über die wirtschaftliche Situation der Volksrepublik geplagt. Der Verfall des Ölpreises, drückende Schulden und der Kampf gegen die Landflucht stellen das Land vor immense Probleme.
Erdöl, das mit einer Jahresproduktion von sechs Millionen Tonnen achtzig Prozent der Außenhandelseinnahmen ausmacht, hatte bis 1985 den 1,8 Millionen Einwohnern des Landes noch positive Entwicklungsperspektiven versprochen. Mittlerweile ist allerdings der internationale Rohölmarkt zusammengebrochen. Das unter dem Druck der Auslandsschulden auf den Markt geworfene Rohöl und die geringe Nachfrage der westlichen Abnehmerländer haben zu einem rapiden Preisverfall geführt.
Angesichts der Außenhandelsabhängigkeit des afrikanischen Landes vom „schwarzen Gold“ hat dies die Zukunftsaussichten weiter verfinstert. Die damals begonnenen Maßnahmen zur Errichtung einer passenden Infrastruktur kann der Kongo mittlerweile nicht mehr finanzieren.
Durch den Rückgang der Öleinnahmen und die Entwicklung des Dollarkurses sind die Schulden der Volksrepublik auf gegenwärtig 3,5 Milliarden Dollar (6,7 Milliarden Mark) angestiegen. Trotz ihrer marxistisch-leninistischen Orientierung sah sich die Regierung in Brazzaville gezwungen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe zu bitten. Nachdem das Land einen Strukturplan des IWF mit den klassischen Anpassungsrezepten wie Reduzierung der Staatsausgaben und Privatisierung der Wirtschaft akzeptiert hatte, gewährten die Gläubigerländer dem Kongo eine teilweise Umschuldung seiner Verbindlichkeiten.
Doch der Strukturplan stößt auf breiten sozialen und politischen Widerstand. Die kommunistische Führung in Brazzaville hat es nicht gewagt, die von IWF und Weltbank geforderte Reduzierung der Zahl der Staatsbediensteten von derzeit 70.000 in die Praxis umzusetzen.
Aber noch immer muß die Regierung in ihrem Budget dieses Jahr 135 Milliarden Franc-CFA (810 Millionen Mark) für den Schuldendienst aufbringen. Da der Staatshaushalt seit 1985 von einem Volumen von 414 Milliarden Franc-CFA auf 285 Milliarden reduziert wurde, scheint eine neuerliche Umschuldung kaum vermeidbar.
Das zweite Problem der kongolesischen Regierung ist die Misere der Landwirtschaft. Nach einer ungebremsten Landflucht in den vergangenen Jahrzehnten leben in der Hauptstadt Brazzaville heute 600.000 Menschen, ein Drittel der kongolesischen Bevölkerung. Als Folge der Landflucht muß Kongo drei Viertel seines Lebensmittelbedarfs durch Importe decken. Mit einer riesigen Werbekampagne in den Medien haben die Behörden die Rückkehr auf das Land zum Thema des Jahres gemacht. Infrastrukturmaßnahmen wie die Erschließung des Nordostens durch neue Straßen sollen diesen Prozeß beschleunigen. Neben der Erzeugung von Lebensmitteln für den Eigenbedarf sollen der Anbau von Kakao und Eukalyptus sowie die Forstwirtschaft dem Land neue Exportquellen erschließen.
Bei diesem ambitionierten Umbau der kongolesischen Wirtschaft muß die Kongolesische Arbeitspartei PCT auf die sehr oberflächliche politische Stabilität des Landes achten. Seit seiner Unabhängigkeit hat der Kongo zahlreiche Rebellionen und Putschversuche erlebt. Erst im vergangenen Jahr sah sich die Parteiführung unter Oberst Denis Sassou Nguesso mit einer Rebellion einer kleinen Gruppe von Militärs konfrontiert, die schließlich mit dem Tod des Putschistenfürers Hauptmann Pierre Anga endete.
Die Einheitspartei PCT, deren Vorsitz und damit auch das Amt des Staatspräsidenten seit neun Jahren in den Händen von Sassou Nguesso liegt, hat als marxistisch-leninistische Kaderpartei mit 10.000 Mitgliedern zwar nicht die Massen des Landes rekrutieren können, ist aber mit ihren sorgsam ausgewählten Mitgliedern in allen wichtigen Positionen bis ins kleinste Dorf vertreten. Sie bietet damit theoretisch die Möglichkeit, auch rigide Maßnahmen wie einen Strukturplan durchzuführen und zu kontrollieren. Aber gerade diese Politik widerspricht den Überzeugungen vieler Kader. Für politische Spannungen ist in der Volksrepublik Kongo also auch im 25.Jahr ihrer Revolution gesorgt.
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