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Aktionärszorn in Schach gehalten

■ Vulkan-Aktionärsversammlung in der Vegesacker „Strandlust“ / Statt steigender Kurse und Dividenden - Zukunftsmusik für die Kleinaktionäre / Vorstand will „die Meere besiedeln“ / Großaktionär weiter inkognito

Ein Hotelzimmer zu bekommen, war schwer in Bremen Nord, denn die stille Teilstadt beherbergte eine besondere Sorte Mensch: Kleinaktionäre des Bre

mer Vulkan, überwiegend aus dem Südwesten der Bundesrepublik. Gestern ab elf Uhr saßen sie im großen Saal der altehrwürdigen „Strandlust“, direkt am Ve

gesacker Fähranleger. Hinter den großen Fenstern stampfen nur wenige Schiffe die Weser hinauf. Schiffahrt und Schiffbau, an denen die schwäbischen Spekulanten verdienen wollten, liegen noch darnieder.

Die Sorge um ihr Geld hatte die Aktionäre auf die weite Reise gebracht. Als sie kauften, hatten sie gehofft, „ihr“ Daimler würde nach AEG, MTU und Dornier nun den Bremer Vulkan kaufen, um seine Rüstungspalette zu arondieren. Deshalb hatten sie Vulkan-Aktien zu Preisen um 150 Mark gekauft. Doch seitem fiel das Papier ins bodenlose: Zeitweise war es für 40 Mark zu haben und bewegt sich heute bei einem Kurs von 70. Ein unruhiges Volk also, diese Kleinanleger. Keine verschwiegenen Banker, sondern zornige Mittelständler, die von geschickten Versammlungsrednern leicht in Stimmung zu bringen sind. Ruinierte Existenzen sogar unter ihnen, wie der Richter Rudolf Deichner aus Bad Dürkheim, der nicht nur sein eigenes, sondern auch geliehenes Vermögen mit Vulkan-Aktien verspekuliert hat.

Auf der hohen Bühne, dort, wo beim Tanztee in der „Strandlust“ die Combos sitzen, thronten gestern die Dompteure, deren Part es war, die verunglückten Spekulanten zu beruhigen: Vorstand und Aufsichtsrat der Werft.

Das war nicht leicht. Denn die Werft hatte im vergangenen Jahr fast 170 Millionen Mark Verlust gemacht. Ob das Geld, mit denen sie ihre teuren Aktien bezahlt haben, denn benutzt werde, um die Verluste auszugleichen, wollte ein Aktionärssprecher wissen. Nein, die Verluste des Vorjahres deckte die Werft von dem was sie auf der hohen Kante hatte, sagte Vorstandssprecher Friedrich Hennemann. Aber in Zukunft? Die Rücklagen sind, laut Hennemann, nun auf 30 Millionen zusammengeschmolzen. Für das laufende Jahr rechnet der Vorstand wieder mit Verlusten. Allerdings soll er nur halb so groß sein wie im vorigen Jahr. Und weil man diesen Verlust nicht aus den Rücklagen ausgleichen könne, müsse man ihn halt ins folgende Jahr mitschleppen. Dann werde der Vulkan und der Bremer Werftenverbund aber wieder Ge

winne machen.

Eine strahlende Zukunft der Werftindustrie malen, das war gestern die Stärke des ehemaligen Spitzenbeamten aus den Bremer Wirtschaftsressort. Hier eine Kostprobe: Mit dem Projekt „Phönix“ will er „die Weltmeere nicht nur befahren, sondern auch besiedeln. Es mag mit schwimmenden Inseln in Form von Urlaubsparadiesen beginnen. Es kann sich für viele andere denkbare Zwecke unter Nutzung der günstigsten Klimabereiche der Weltmeere fortsetzen.“ ... Das könne ein „entscheidendes Stück Zukunftssicherung für das Leben auf dieser Erde sein. Es wird entweder mit oder ohne uns geschehen. Aber geschehen wird es.“

Die Aktionäre ließen sich vom Pathos dieser Visionen wenig mitreißen. Mehr interessierte sie die „Zukunftssicherung“ ihre Aktien - und: Wann gibt es endlich Zinsen? Hennemann antwortete wie Radio Eriwan: „Theoretisch ja“, sagte er, aber solange der Vulkan „so nachhaltig von öffentlicher Hilfe lebt“, sei an keine Dividende zu denken, weil die „zu Lasten des Steuerzahlers

ginge. Es ist schwer genug, Ihnen Ihr Vermögen zu erhalten.“

Die Manager auf dem Podium bekannten sich gestern ohne Scheu dazu, daß der Vulkan eine Staatswerft ist. Aufsichtsratsvorsitzender Wilhelm Scheider, der das schmale Krupp-Aktienpaket vertritt: „Ohne öffentliche Hilfe stirbt der Vulkan“. Auf den Aufsichtsratssitz von Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer anspielend sagte er: „Der Senat möchte ja auch wissen, wo sein Geld bleibt.“

Weniger Staat und mehr Gewinn, das wollten die Kleinaktionäre. Ihre Opposition schlug sich in eigengen Anträgen nieder: Keine Entlastung und keine Entlohnung für die Aufsichtsrat und Vorstand. Aber bei den Abstimmungen ging dann alles glatt: Die Bankenvertreter hielten dem Vorstand den Rücken frei.

Eins wollten die Aktionäre gestern auch wieder wissen: Wer der geheimnisvolle Großaktionär sei. Denn nur 52,3 Prozent des Kapitals war auf der Versammlung vertreten. Doch erblieb wie immer: inkognito.

Michael Weisfeld

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