PANNE IN DER WÜSTE

■ „Eine Fahrt durch Sumer“ - Performance im „Eiszeit“

Viel wird darüber geredet; ob Audi oder Opel schöner sei, ob man eine Klorolle eingehäkelt mitnehmen müsse, auf Reisen; ins Bundesgebiet, nicht nach Sumer. Im Eiszeitkino fahren Susanne Helmes und Vicoria Kelly eben da hin, nach Sumer. Dort hängt eine Schraubenschlüsselfamilie als Klingspiel, am Rande steht ein Achtung!-Schild, ein gelber Ballon, ein rotes Karosserieteil im Sand, Autoscheinwerfer, grüne und rote Kanister und Tonnen, Radkappen vervollständigen die Szenerie.

Stimmen auf Band reden an einer amerikanischen Tankstelle oder auf einem Schrottplatz, wer weiß, nice to meet you, und die Welt öffnet sich: Khakifarben tanzen und springen die Performerinnen ins Land - die Deutsche sportlich und ausdrucksstark, die Amerikanerin blond wie eine Königin verharren immer wieder in Modeschauposen, sich beugend über die Landkarte, die Hände in die Hüften gestemmt, den Po emporgereckt. Schauen sich an: „Auf geht's!“ Der Motor röhrt.

Eine steht mit Autofahrerkappe und hochgezogener Brille auf einer Tonne, wiegt sich lenkend in den Kurven und Synthies sizern dazu. Frauen fahren, gähnen - mal so, mal so lutschen am kleinen Finger, spreizen sportlich die Beine, um sitzend die Karte besser lesen zu können. Dann gibt's eine Panne im heißen Land, dann ist es ganz still in der Wüste. Jemand rollt einen Stein gegen die Radkappe, jemand rezitiert: „Beim Fahren dachte sie an die Götter...„Das kommt davon: Im Radio hört man: „GT, RS Luxus; ABM bremst jeden aus.“ Rauschen.

„Der Stein zerschlägt den Kühler, das Wasser versickert im Sand“, „kein Problem“, sagt die andere und läßt die Schraubenschlüssel klingen. Beide laufen wie die Blöden im Kreis, eine bleibt stehen, die andere läuft weiter, tippt die eine staffelmäßig an usw. Autowerbesprüche werden wiederholt: Elite, Leistung, Fortschritt. Rührende amerikanische Autovergangenheiten werden erzählt: Vom Volkswagenbus, mit dem die Familie immer herumfuhr und von den Problemen kleiner Töchter rauchender Mütter: Die Mutter macht den Zigarettenanzünder an und ich machte ihn wieder aus. „I put it in my mouth.“ - „Didn't it hurt?“ - (Pause) „It was warm.“

Lang, schlank, sachlich - SL. Victoria Kelly streicht sich, wenn von Zylindern die Rede ist, aufreizend über den Körper und zieht sich aus. Schwarze Dessous sorgen für erotische Verwirrung? Einen Mercedesstern aus Pappe über der Stirn rast sie als blonder amerikanischer Engel auf einem Dreirad wedelnd und winkend um die Zuschauer herum. „Hey, Hey, Hey, Hey!“

Die eisernen Schlüssel als Löffel benutzend, Gummiskelette rot und grün als Gemüse in einer Radkappe, mahlzeitet Susanne Helmes. „I want that I want & I want it now“ - „She wants that she wants ...“ Und alle. Und heller. Und schneller. Die Amerikanerin ist währenddessen schon wieder woanders, auf einer Tonne und erzählt was vom Mond: „The moon was discovered in 1864 in Germany by Schopenhauer.“ (Da war der schon vier Jahre tot.)

Es ist ungeheuer lustig, beschwingt, nirgends die Angestrengtheiten eines Ich-möchte-Dir-jetzt-mal-erkären-wie -es-mit-dem-Fetisch-Auto-und-der-Frau-so-ist, sondern Spielfreude, die sich auf den Zuschauer überträgt, der gar nicht weiß, was er jetzt über Autos, Frauen, Mond und Sterne, Sand und Amerika erfahren hat.

Detlef Kuhlbrodt