Ausnahmezustand in Pakistan

■ Benazir Bhutto versucht, eigene Partei zusammenzuhalten / Zia ul Haq posthum zum Helden der Flüchtlingshilfe stilisiert / Über die Absturzursache wird noch immer spekuliert / Pakistan baut Frontstaat-Position aus / Sabotage offiziell nicht ausgeschlossen

Islamabad (wps/taz) - Der tödliche Absturz des pakistanischen Staatschefs Zia ul Haq hat in den USA zu nachträglichen Sympathiebekundungen für den Diktator geführt. „Als großen Freund und Freiheitskämpfer“ bezeichnete gestern Außenminister George Shultz den General, der 1979 seinen Amtsvorgänger Präsident Zulfikar Ali Bhutto aufknüpfen ließ. Öffentliche Hinrichtungen durch den Strang sollten auch später in das Repertoir seiner Islamisierungskampagne gehören, mit der er sich bisher länger als seine Vorgänger an der Spitze des vor 40 Jahren von Indien separierten „Land der Reinen“, Pakistan, hielt. Während im eigenen Land die von Saudi-Arabien lancierte fundamentalistische Ausrichtung der islamischen Staatsreligion auf Widerstand stieß, fand Zias Programm mit dem Einmarsch der Sowjets in Afhanistan die ungebrochene Unterstützung des westlichen Auslands. Mit der Aufnahme und Betreuung von 3,5 Millionen afghanischen Flüchtlingen in Afghanistan habe sich Pakistan laut dem Bonner Regierungssprecher Herbert Schmülling große Verdienste erworben. Dabei war es unverhohlene Politik Zia ul-Haqs, die fundamentalistische Fraktion des Afghanischen Widerstands ungeachtet des Genfer Abkommens fortgesetzt mit Waffen zu versorgen, womit er eine Verzögerung des sowjetischen Truppenabzugs provozierte.

Die Explosion der Luftwaffen-Transportmaschine hinterließ ein Loch auf der politischen Bühne Pakistans, das nicht leicht zu füllen sein wird. Unter den 30 Insassen der Präsidentenmaschine befanden sich neben US-Botschafter Arnold Raphel und dem amerikanischen Militärattache in Pakistan Brigadegeneral Herbert Wassow auch jene Militärs, die für eine Zia-Nachfolge in Frage kamen: der Generalstabschef Akhtar Abul Rahman und 20 hochrangige Offiziere. Übergangsregierungschef Ghulam Ishaq Khan sprach von Sabotage als möglicher Absturzursache und verhängte noch am Mittwoch abend den Ausnahmezustand über ganz Pakistan. Auch die Möglichkeit eines Abschusses der Maschine durch eine Luftabwehrrakete, einer Bombenexplosion an Bord oder eines Zusammenstoßes mit einem Armee-Hubschrauber wollte man in Islamabad nicht ausschließen.

US-Offizielle hielten es für unwahrscheinlich, daß der sowjetische Geheimdienst an einem möglichen Attentat beteiligt gewesen sei. „Wenn dem so wäre, hätte sich die Sowjetunion in den letzten drei Wochen zurückhaltender gegenüber der pakistanischen Afghanistanpolitik geäußert“, hieß es aus dem US-Außenministerium. In Pakistan mehren sich indessen die Gerüchte, daß der Geheimdienst der marxistischen afghanischen Regierung die Finger im Spiel gehabt habe.

Nach den jüngsten Eskapaden des Generals, der Auflösung der National- und Provinzparlamente und der Entlassung des zivilen Fortsetzung auf Seite 2

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Premiers Junejo Ende Mai zeichnete sich eine Einigung der Opposition ab. Die Ankündigung von Neuwahlen für den 16.November auf parteiloser Basis führte in der letzten Woche gar zu einem Schulterschluß zwischen fundamentalistischen Rechts- und säkularisierten Linksparteien. Mit der Auflösung des gemeinsamen Feindbildes, das der autokratische General darstellte, drohen die Fraktionskämpfe auch innerhalb der stärksten Oppositionsparteien, der seit zwei Jahren erstarkten Muslim League Junejos und der Bhutto-Partei PPP, wieder aufzubrechen. Als aussichtsreichste und charismatischste Oppositionsführerin gilt die Bhutto-Tochter Benazir, die 1986 aus dem Exil zurückkehrte und von der Bevölkerung mit frenetischem Jubel empfangen worden war.

SL