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Herb, derb - ökologisch

Noch ein Jubiläum: 10.Ökomesse in Freiburg / Zwischen Urholz, High-Tech und Ökotopia / Ökologische Vernunft verkauft sich fast so gut wie Germanen-Schmarrn  ■  Aus Freiburg Dietrich Willier

Peinlich diese modisch eleganten Slipper, hier trägt man die Füße bar oder in derbem Leder. Wo noch vor wenigen Monaten Christdemokraten die Zukunft Baden-Württembergs mit Bergen von Plastikmüll besiegelt hatten, schäumt jetzt das Bio -Bräu, versorgen Solarzellen die Märklineisenbahn, erleichtert das Soja-Eis dem Milchallergiker sein Los. Gestern schloß die Öko-Messe, die größte ihrer Art in der Republik, auf der Freiburger Messe ihre Pforten. 150 Aussteller, von Biogas, multifunktionaler Solartechnik, Trinkwasseranalytiker, Biokosmetik für den natürlich herben Teint, Stände für Bio-Bau und Bio-Food waren vertreten.

„Ich“, vertraut sich Heinrich, ein Endfünfziger im flotten Freizeitlook einem Bekannten an, „ich mache jetzt auf Solar, das läuft.“ Neben ihm steht ein schlichtes Motorboot, solargetriebenen von Siliciumzellen. Solar-, Wind- oder Biogasbeheiztes oder -angetriebenes war schon der Renner der ersten Öko-Schau vor zwölf Jahren - unweit von Freiburg und zum Trotz gegen Atomenergie.

Der Trotz, die Fortentwicklung alternativer Energien sind geblieben, viele Naturwissenschaftler haben sich längst in eigenen Umweltlaboratorien gefunden, Renner der Messe sind Umweltanalysegruppen für Wasser, Luft und Lebensmittel. Vor oder zurück zur Natur heißt die Devise auch für die Bioarchitekten. Block- oder Fachwerkhäuser ganz aus Holz wie auch die Bio-Ziegel mit Lehm beworfen, werden angeboten. Nur in der Äußerlichkeit bleibt Ökotopias Phantasie in Grenzen, es dominieren Blockhütte und Schwarzwaldhaus.

Wie auch mit ungebremster Liebe zur Natur Kultur gleich mit erschlagen werden kann, bewies auf dieser Öko-Messe ein nicht geringer Teil alternativer Händler oder Produzenten. Gefordert ist ja nicht der Bio-Stöckelschuh, aber muß deshalb das ganze Outfit einer Wurzelknolle gleichen? Waren denn Architektur und Produktdesign des Bauhauses und danach so wider die Natur, daß sich naturbelassenes Interieur jetzt gleich mit Stroh und Freilaufhühnern schmücken muß? Darf Kinderspielzeug wirklich nur noch grob und handgeschnitzt die Welt, wie sie einmal war, rekonstruieren? Muß eigentlich jedes Parfum, jede Seife und Lotion nach einer Frühlingswiese riechen?

Schon lange folgt auch der Natur-Deal gängigen Marktgesetzen, die Nachfrage ist groß. Einfach natürlich leben, heißt es da, und das ist ein bischen wie direkt im Wald, mit einer Flasche Met, wie ihn die Germanen soffen, und danach im Biostroh ein Bio-Schläfchen. Der Umweltdreck wird mit der Sumpfpflanzenkläranlage wegempfunden.

Soja-Eiscreme mit Heidelbeergeschmack für Milchallergiker vertreibt der Meta-Öko-Imbiss. Kalt ist das Zeug, von Heidelbeere keine Spur. Doch vielleicht ist ja der eigene Gaumen längst verdorben von dem, was man als regensaure Blaubeere noch so im Schwarzwald findet. Wem auf der Öko -Messe all dieser Jammer noch nicht reichte, dem war ein Blick auf Öko-Kunst gestattet: Traurig borstige Bäumchen in einer lieblich-milden Landschaft, zwei hingeschiedene Tannen bilden die Zeiger einer Uhr - es ist noch immer 5 vor 12.

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