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„Freiwillig gehen wir hier nicht raus“

■ Das selbstverwaltete Wohnprojekt in der Weddinger Prinzenallee 58 ist von Räumung bedroht / Der Nutzungsvertrag mit der Panke-Park-Wohnungsbaugesellschaft läuft aus / Das Kaufangebot ist für die MieterInnen nicht akzeptabel / Hoffest am Sonnabend

Den Bewohnern des selbstverwalteten Wohnprojekts Prinzenallee 58 im Wedding droht derzeit die Räumung. In wenigen Tagen läuft der Fünfjahres-Nutzungsvertrag aus. Der Besitzer, die Panke-Park-Wohnungsbaugesellschaft, scheint am Verbleib der rund 100 Bewohner in dem alten, von ihnen instandgesetzten Fabrikgebäude kaum Interesse zu haben. Der Geschäftsleitung geht es um Geld, sie unterbreitete dem Verein zwei Angebote: Zum einen eine Verlängerung des Nutzungsvertrages zu neuen Konditionen, was eine Mieterhöhung um fast das Dreifache des jetzigen Preises bedeutet, oder aber der Kauf des Geländes und des Hauses für rund 3,3 Millionen Mark. Woher das Geld nehmen, fragen sich die Betroffenen, die sich zum Verein zum Schutz billigen Wohnraums zusammengeschlossen haben. Ihre selbstgeschaffenen Lebensbedingungen wollen sie nicht „durch das Profitinteresse von Spekulanten“ zerstören lassen.

Seit sieben Jahren gehört das Haus in der Prinzenallee 58 zu den vier größten Selbsthilfeprojekten. 1981 begann die Instandsetzung des fast 100 Jahre alten Fabrikgebäudes. Zahlreiche Aktionen und Verhandlungen waren nötig, um einen Abriß des Gebäudes - geplant war damals ein großer Wohnungsneubau - zu verhindern. Im August 1983 mußte der Verein dann einen fünfjährigen Nutzungsvertrag mit der Wohnungsbaugesellschaft abschließen, um überhaupt weiterhin in dem Haus bleiben zu können.

In dem starren Vertrag sind bereits die Klauseln, auf die sich die Wohnungsbaugesellschaft jetzt beruft, enthalten. So heißt es u.a., daß entweder ein neues Nutzungsentgelt oder aber ein Kaufpreis gemeinsam auszuhandeln sei. Als Obergrenze des Kaufpreises sei eine Bilanzsumme aus den neuesten Marktberechnungen anzusetzen. Sollte es zu keiner Einigung kommen, müßten die BewohnerInnen innerhalb von vier Wochen das Haus räumen.

Als „eine Art Geschenk“ bezeichnete die Geschäftsleitung von Panke-Park diese Vereinbarung. Gegenüber der taz erklärte sie, man habe in den letzten Jahren genug Zugeständnisse gemacht. Sollte der Verein das kostenorientierte Angebot ablehnen, so sei auch die vierwöchige Auszugsfrist „besonders großzügig“.

Bei seinen besonders großzügigen Berechnungen hat die Panke -Park-Wohnungsbaugesellschaft allerdings offenbar die immensen Eigenleistungen des Vereins vergessen, die überhaupt zu einer Wertsteigerung des Hauses geführt haben. „Rund 'ne halbe Million Mark haben wir bislang reingesteckt“, erzählt Werner Gerke, einer der Projektsprecher. Mit dem selbst aufgebrachten Geld und zahlreichen eigenen Arbeitseinsätzen sind in der alten Fabrik drei Wohnetagen, eine Kita, mehrere privat genutzte Werkhallen, ein Cafe und eine Gemeinschaftseinrichtung, die auch für Behinderte zugänglich sind, geschaffen worden. „Das alles wollen wir uns nicht nehmen lassen“, meinen die Bewohner einmütig und überlegen jetzt, was sie tun können.

Mit einem nötigen Kredit könnte man das Haus vielleicht für rund 1.030.000 Mark selbst kaufen, was dem Bilanzwert von 1981 entspräche, als das heruntergekommene Gebäude übernommen wurde. Mit Spenden oder einer Stiftung könnte man vielleicht zum Erhalt des Hauses beitragen, doch bislang hat der Verein noch wenig Unterstützung bekommen. Das Bezirksamt hält sich bislang bedeckt. Dafür werden in der nächsten Zeit diverse Selbsthilfegruppen, die die Gemeinschaftsräume benutzen, Unterschriften sammeln und sich Aktionen überlegen. Denn einig sind sich die Bewohner: „Freiwillig gehen wir hier nicht raus!“

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Wer sich über das Selbsthilfeprojekt informieren und das Haus besichtigen möchte, der sollte am Sonnabend in die Prinzenallee 58 fahren. Dort findet ab 17 Uhr ein großes Hoffest statt.

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