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Faszinierte Bilder aus einer fremden Welt

■ In der Schalterhalle der Bremer Bank ist jetzt zu sehen, was junge FotografInnen sehen, die vom Häfensenator und der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft mit Preisen an die Kajen gelockt wurden

Industriefotografie im engeren oder Wirtschaftsfotografie im weiteren Sinn bringt in der Regel nur fürchterlich Langweiliges zustande. Musterhaft dafür sind die senatorischen Broschüren über die bremische Wirtschaft oder gar die Prospekte, die die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft unter ihre Kundschaft bringt. Die Fotos sind zur Illustration degeneriert, als ästhetische Prämisse gilt: möglichst viel auf einem Bild. Und wenn das nicht geht, dann bitte „alles“ mit möglichst vielen Bildern. Hübschestes Beispiel hierfür ist eine - wahrscheinlich sündhaft teure dreiseitige Hochglanz-Faltbroschüre der BLG, in der 36 briefmarkengroße Farbfotos den Hafenumschlag illu-strieren.

Doch was passiert, wenn einmal nicht Auftragsfotografen den ehedem wichtigsten Wirtschaftszweig des Bundeslandes ins rechte Bild rücken sollen, sondern „Freie“? Was sehen Fotografie-StudentInnen, wenn sie von Preisen an die Kajen gelockt werden? Einen Wettbewerb zum Thema „Die Häfen in Bremen - Mensch, Technik, Zukunft“ hatte

der zuständige Senator Kunick ausgeschrieben, vierhundert Arbeiten wurden eingeschickt, hundert ausgewählt und zu einer Ausstellung gemacht, die am Dienstagabend eröffnet wurde. Den Sprung in die Schalterhalle der Bremer Bank schafften fast nur FotografInnen, die ihr Metier entweder an der Hochschule gelernt haben, dort noch studieren oder damit gerade anfangen.

Das Ergebnis ihrer Exkursionen: Faszinierte Bilder aus einer fremden, nur als hermetisch wahrgenommenen Welt. Grooooße Schiffe und kleine Schiffe, oder ganz groooße Schiffe und ganz klitzekleine Menschen, oder überhaupt keine Menschen mehr und nur noch Container, und ständig blauer Himmel. Ein touristischer Blick haftet jedem der großformatigen Farbfotos an. Bei keiner Aufnahme ist die Vertrautheit mit dem Hafen Voraussetzung für das Erkennen eines Motivs. In ihrer aseptischen Kühle wirken sie sogar dann statisch, wenn sie Bewegung zeigen. Nur ein einziges Foto durchbricht diese Strenge, vermittelt etwas von der Hektik

des Umschlags, enthält ein berichtendes Element: Eine Aufnahme von Gerhard Bergmann vom Betrieb auf der Rampe eines roll on/roll off-Schiffs. Ansonsten könnte jedes zweite Bild, so modern-bildungsbürgerlich sie alle sind, als Doppelseite in ein „Geo„-Heft über die bremischen Häfen passen.

Geld gab's auch. In der Jury saßen Hafensenator Konrad Kunick, Bremer-Bank-Direktor Joachim Pulley, BLG-Sprecher Hans-Joachim Weil, der BLG-Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Rolf Siemens, der Spediteur Gün

ter Holsing und der Hochschul-Professor Fritz Dressler. Den Sonderpreis „Spuren der Geschichte“ erhielt Hauke Dressler für ein heimatbildband-reifes Bremerhaven-Foto mit altem Leuchtturm und und neuen Schleppern unter düsteren Wolken. Den dritten Preis und 1.000 Mark erhielt Toma Babovic für eine Fotoserie, für die er Hafenarbeitern über die Schulter geschaut hat. Die Serie enthält schöne Einzelaufnahmen, wirkt aber vor allem dadurch, daß da überhaupt einer den festen Boden verlassen hat und mit in die Ka

bine eines Krans geklettert ist.

Den zweiten Preis (2.000 Mark) bekam Ingolf Schwanke für ein streng durchkomponiertes und ganz menschenleeres Foto mit Röhren und Kran - die einzige Prämierung, mit der die Jury etwas Mut bewiesen hat. Beim ersten Preis siegten wieder Konvention und die Liebe zur Gesamtansicht: 4.000 Mark gingen an Susanne Hinderks, deren kreuzbraves Foto einen riesigen Auto-Carrier in Bremerhaven zeigt, der von Schleppern gezogen wird.

Niemand unter den FotografInnen traute sich an das Thema,

das, immer wieder von BLG und Senat beteuert, den Häfen überhaupt ihre Zukunft garantiert: EDV-gestützte Umschlags -Logistik. Möglicherweise hatte den WettbewerberInnen auch niemand erzählt, welche Bedeutung die Computer im Hafen jetzt schon haben. Nun sind solche Wettbewerbe für die Ausrichter eine billige Möglichkeit, an neue Fotos zu kommen. Einen Sonderpreis der BLG, Fotografier-Aufträge im Wert von 5.000 Mark, erhielt die Foto-Gruppe der HKM insgesamt - vielleicht werden sie ja demnächst von der BLG auf die Hafen-Software angesetzt.

Einige der ausgestellten Fotos bieten denn doch auch etwas zum Stutzig-Werden. Jens Böttger hat die Oberteile von Container-Portalwagen wie mechanische Riesen-Insekten fotografiert, Susanne Hinderks hat eine Aufnahme mit einer Warnung eingereicht, deren Grund nicht zu erkennen ist: „Beware of Propeller“. Andere Fotos, die noch in die Ausstellung aufgenommen worden waren, hatten von vornherein keine Preis-Chance: etwa das Portrait eines Kaffee -Arbeiters. „Der steht doch nicht für die Zukunft“, murrte Juror Polley im Vorbeigehen. Der mit dem harten Wettbewerb unter den Nordseehäfen offenbar unvertraute Toma Babovic hatte gar ein Foto mit vielen bunten Containern auf einem Schiff eingereicht, an dem nicht nur der Name deutlich erkennbar war, sondern auch der Heimathafen des Potts: ausgerechnet Rotterdam.

mc

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