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Wallmann dementiert sich selbst

Der hessische Ministerpräsident muß unter Umständen ein zweites Mal vor den Bonner Atom-Untersuchungsausschuß / Grüne halten Wallmann für Plaudertasche / SPD: „Lügenmärchen“  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) muß möglicherweise erneut vor dem Bonner Atom -Untersuchungsausschuß erscheinen, nachdem er sich durch einen eigenen Brief den Vorwurf früherer Falschaussage eingehandelt hat. Bei seiner Vernehmung im Mai hatte Ministerpräsident Wallmann immer wieder betont, daß nicht er es gewesen sei, der als erster mit dem „ungeheuerlichen Verdacht“ auf Bruch des Atomwaffensperrvertrags an die Öffentlichkeit geprescht sei. Bereits bevor er, Wallmann, die hessischen Parlamentarier in einer öffentlicher Ausschußsitzung an jenem 14.Januar informierte, sei „von einem Journalisten“ eine Meldung über Telefon abgesetzt worden; auch „Kollegen aus der CDU-Fraktion“ seien bereits vorher im Bilde gewesen.

Dieser scheinbar nebensächliche Punkt war für den Ministerpräsidenten durchaus bedeutsam - hatte Wallmann sich doch bei seinen Parteikollegen und der Atomindustrie wegen seines hektischen Agierens in dieser Affäre herbe Rügen eingefangen. Als die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Ingrid Matthäus-Maier (SPD), jedoch während der Sommerpause die Namen jenes angeblich bestinformierten Journalisten und der „CDU-Kollegen“ nachforderte, mußte Wallmann seine Aussage „konkretisieren“, wie er das briefliche Dementi vornehm nennt. Erst nach seinem Vortrag vor den hessischen Parlamentariern habe ihm ein „Sicherheitsbeamter“ mitgeteilt, ein Journalist habe bereits eine Meldung abgesetzt. Auch die „Kollegen aus der CDU-Fraktion“ sind im Wallmann-Brief nun auf den Fraktionsvorsitzenden Nassauer als Kronzeugen zusammengeschmolzen: „Nach meiner Erinnerung“, formuliert Wallmann nun vorsichtig, habe jedenfalls Nassauer schon vorher „von Journalisten“ von diesem Verdacht erfahren. Für eine Stellungnahme, ob sich Nassauer selbst vor dem Untersuchungsausschuß gegebenenfalls auch daran erinnern würde, war der Fraktionsvorsitzende gestern nicht zu haben.

Für die Aufklärung der Vorgänge in der Atomindustrie sind Wallmanns Windungen und Wendungen ohne Belang. Jedoch enthüllt sich im scheinbar nebensächlichen Detail der politische Umgang mit der Wahrheit.

Unter offenkundiger Anspielung auf Kanzler Kohls Ungereimtheiten im U-Boot-Untersuchungsausschuß werfen die Sozialdemokraten im Bonner Untersuchungsausschuß dem hessischen Ministerpräsidenten jetzt vor: „Es scheint offenkundig zur Gewohnheit zu werden, daß führende Unionspolitiker vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen die Unwahrheit sagen.“ Wallmanns gesamte Darstellung vor dem Gremium müsse nun als „Lügenmärchen“ gewertet werden. Für die hessischen Grünen bleibt es „Fakt, daß es Walter Wallmann war, der den entstandenen Verdacht sowohl der Geschäftsführung der NUKEM als auch der Öffentlichkeit gegenüber ausplauderte und damit mögliche staatsanwaltliche Ermittlungen gefährdete.“

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