IGM entdeckt Gift am Arbeitsplatz

Industriegewerkschaft auf Öko-Trip / Baden-Württembergs IG Metall startet „Aktion Tatort Betrieb“ / Kampagne gegen Gift, miserable Kontrollen der Gewerbeaufsichtsämter und Unwissenheit  ■  Aus Stuttgart Dietrich Willier

Die Industriegewerkschaft Metall (IGM) startet jetzt in Baden-Württemberg eine „Aktion Tatort Betrieb“ gegen Chemie am Arbeitsplatz. Mit rund 500 „gefährlichen Arbeitsstoffen“ hantieren Arbeitnehmer tagtäglich an ihren Arbeitsplätzen. An der krebserzeugenden Wirkung von Perchlorethylen (PER), als Reinigungs- und Lösungsmittel überall in der Metall -Industrie eingesetzt, besteht längst kein Zweifel mehr. Mit einer Umfrage in 181 baden-württembergischen Metallverarbeitungsbetrieben, so der Stuttgarter Bezirksvorsitzende der IGM, Riester, sei man in einen Sumpf von Giftstoffen, aber auch in ein Wespennest gestoßen. Der Informationsstand von Beschäftigten und Betriebsräten sei miserabel, Kontrollen gebe es kaum, die Höchstwerte bei PER in Betrieben seien siebenmal so hoch angesetzt wie in Wohnräumen. Mit der „Aktion Tatort Betrieb“ sollen jetzt Betriebsräte für die Gefahren sensibilisiert und Betriebskontrollen durchgeführt werden. PER oder TRI, so der IGM-Bezirksvorsitzende, würden in zwei Dritteln aller baden -württembergischen Metallbetriebe als Reinigungsmittel für Metall eingesetzt, der Verbrauch beläuft sich auf 60.000 Tonnen bundesweit. Eine Gesundheitsgefährdung von zehntausenden von Arbeitern würde tagtäglich bewußt in Kauf genommen. PER, so der Berater der IGM, der Heidelberger Arbeitsmediziner Prof. Huber, führe zu Schädigungen von Haut und Schleimhäuten, der Lunge, des Zentralnervensystems, Leber, Nieren, Herz und Kreislauf, und sei krebserzeugend. Bereits seit dreißig Jahren seien Arbeitsmedizinern schwere Vergiftungen und Todesfälle als Folge des täglichen Umgangs bekannt. Arbeitnehmer, so Riester, die sich geweigert hätten, weiter mit dem Zeug zu arbeiten, seien entlassen worden. Mit „Schandurteilen“ hätten Gerichte die Entlassungen bestätigt. Bei der Firma Bosch in Stuttgart soll bereits vor sieben Jahren ein Arbeiter nachweislich an den Folgen von PER gestorben sein, Schadenersatz wurde verweigert.

Ein Problem, so die Stuttgarter IGM, PER durch andere Reinigungsmittel auf Wasserbasis zu ersetzen, gebe es nicht. Die „Aktion Tatort Betrieb“, mit der jetzt alle baden -württembergischen Metallbetriebe auf PER und andere Gifte fünf Jahre lang untersucht werden sollen, greife aber nur, wenn sie von Belegschaften und Betriebsräten unterstützt würde - aber die Resonanz in der IGMetall ist bisher nicht stark. Ende November sollen auf einem IGM-Kongreß auch rechtliche Schritte beraten werden.