Bewußtseinsförderlich

■ BREMINALE: „Diese ganze lange Nacht“, ein Chile-Drama in drei Akten von Jorge Diaz, gespielt von der Abschlußklasse der „bremer bühne“ unter der Regie von Christa Kalamala

Seit Mitte Mai spielt die Abschlußklasse der bremer bühne „Diese ganze lange Nacht“. Unter der Regie von Christa Kalamala tritt die vierköpfige Truppe nach einjähriger Probe und eingehenden Recherchen über Chile an die Öffentlichkeit.

Der Titel ist ein Zitat aus einem Prosastück von Pablo Neruda, in dem er die Zustände nach der Machtergreifung des chilenischen Diktators Pinochet beschreibt. Nach den autobiographischen Berichten von vier ehemals inhaftierten chilenischen Schauspielerinnen schrieb Jorge Diaz im spanischen Exil dieses Stück.

Sarah Kellogg, bremer bühne: „Wir wollten die Realität von Folter und Menschenrechtsverletzungen nicht nur als ein südamerikanisches Problem darstellen. An den unterschiedlichen Frauenschicksalen sollten die vielen Facetten und Reaktionen im sozialen Miteinander unter äußerem Druck gezeigt werden. So gese

hen kann das Drama auch in Deutschland spielen, denn die vier Charaktere spiegeln alles wider: Angst, Aggression, Neid, Verrat, Mißtrauen und Verzweiflung, aber auch Vertrauen.“

Die Kämpferin Rosario (Gabriele Bucher-Gollasch), die schwangere Jimena (Anette Herbst), die Krankenschwester Olga (Irmtraud Günzler), wegen ihrer angeblichen Doppelagententätigkeit von beiden Seiten gehaßt, und die Schauspielerin Aurora (Sarah Kellogg) sind auf verschiedenste Weise mit sich und ihren Mitgefangenen konfrontiert. Klassenunterschiede wie Bildung, Herkunft und politisches Bewußtsein erschweren zusätzlich ihre Marter während der Inhaftierung. Aurora erkennt in Olga eine Kollaborateurin und versucht anfangs, sie zu bekämpfen, Jimena, im achten Monat schwanger und politisch nicht aktiv, wartet angstvoll auf die ihr bevorstehende Folter, in der sie über ihren Ehemann aussagen

soll. Jimena stirbt nach der Folter, ihr Kind überlebt. Rosario, die engagierte Klassenkämpferin und Zellensprecherin, schlichtet aufkommende Streitigkeiten, aber auch sie kann der Willkür und Brutalität der Obrigkeit nicht standhalten.

Sarah Kellogg: „Wir wollen kein Psychodrama spielen. Wir wollen eine Auseinandersetzung vom Publikum mit dem Thema erreichen: Unsere Zuschauer sollen offen und wach sein für Unterdrückung und politischen Terror. Darum ist das Sehen der Inszenierung eine Bewußtseinsfrage.“

Die Gruppe will den Blick der BetrachterIn schärfen, ohne mit zuviel Emotion oder Ausstattung zu arbeiten, aus diesem Grund wird mit sehr sparsamen bühnentechnischen Mitteln gespielt.

Maike Wöhler

Aufführungen: Heute abend im Rahmen der Breminale), Samstag, Sonntag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. (bremer bühne, jeweils 20 Uhr)