: Brokdorfer Löwenzahnmutationen für den Minister
Schleswig-Holsteins Energieminister Jansen suchte den Dialog mit den Brokdorf-BlockiererInnen / Minister: Demonstrieren ja - blockieren nein / Jansen will weiteres Gutachten zum Atomkraftwerk Brunsbüttel anfordern / Weiterhin Blockaden geplant ■ Aus Wilster Dieter Hanisch
Ein ungewöhnlicher Dialog fand am Mittwoch abend im Gemeindehaus Wilster statt. Schleswig-Holsteins Energie- und Sozialminister Günther Jansen (SPD) diskutierte mit Mitgliedern des Blockadeplenums Brokdorf - ein Zusammenschluß von AKW-GegnerInnen, die seit zwei Jahren schon jeden Monat jeweils am 6. die Tore des AKWs Brokdorf blockieren. Über 100 Besucher waren gekommen, darunter auch einige AKW-Beschäftigte. In Wilster patrouillierte unterdessen die Polizei in ihren Streifenwagen.
Jansen mußte sich, die verlorene Kraftprobe mit Bundesumweltminister Töpfer um die Wiederinbetriebnahme des AtomkraftwerksBrokdorf nach dem ersten Brennelementewechsel im Rücken, zu dem geplanten Weiterbetrieb nach dem Brennstäbetausch im AKW Brunsbüttel äußern. Nach dem Willen des Betreibers soll der 800-Megawatt-Siedewasserreaktor heute wieder ans Netz gehen. Im sogenannten Bordhandbuch für die jetzt beendeten Revisionsarbeiten spielte das Thema Tiefflieger / Flugzeugabstürze keine Rolle, so daß Jansen dazu erst ein gesondertes Gutachten in Auftrag geben will.
Eine zweite Kraftprobe mit dem Töpferschen Umweltministerium wird es somit um Brunsbüttel erst einmal nicht geben, auch wenn das Wiederanfahren möglicherweise erst in der kommenden Woche stattfindet. An die Adresse der BlockiererInnen appellierte Jansen, keinen Zwei-Fronten -Kampf mit ihm zu führen. Er müsse sich schon genug mit Atomindustrie, AKW-Betriebsräten und dem politischen Gegner herumschlagen. „Also, um mir Druck zu machen, ist es nicht nötig, sich jeden Monat vor die Tore des AKWs in Brokdorf zu setzen. Ihr habt doch die Adresse Töpfers ...“ erklärte Jansen. „Wenn Sie Brokdorf stillegen, dann gehen wir eben nach Brunsbüttel und Krümmel“, lautete die Antwort eines Blockierers. „Wir protestieren ja nicht gegen Sie, gegen Polizei und AKW-Mitarbeiter, sondern gegen die Atomindustrie und die Betreiber“, ergänzte eine andere Blockiererin.
Demonstrieren ja - blockieren nein war Jansens Antwort auf die Frage, wie die BlockiererInnen ihm bei der Ausstiegspolitik helfen könnten. „Wir ziehen doch an einem Strang, können wir nicht auch in eine Richtung ziehen?“, fragte Jansen. In die Richtung ziviler Ungehorsam will der Minister jedenfalls nicht mitziehen. Bei vielen AKW -GegnerInnen blieb an diesem Abend trotz der schönen Worte eine große Portion Skepsis zurück. Wie zuvor eine Parteigenossin Jansens warnte auch Karsten Hinrichsen von den Grünen Minister Jansen vor allzuviel Vertrauen und Verbeugungen gegenüber Recht, Ordnung, Gesetz und Paragraphen.
Hinrichsen hatte Strafanzeige gegen die Lagerung von 23-Mol -Fässern im AKW Brunsbüttel erstattet. Vom leitenden Staatsanwalt Fabig in Hanau erfuhr der Kläger, daß der Vorgang erst einmal mit der Weisung versehen wurde, ihn nicht zu bearbeiten. Denn, so der Staatsanwalt weiter, möglicherweise könnte man ja feststellen, daß es sich um einen rechtswidrigen Zustand handle, den man allerdings gar nicht beseitigen könne, da es noch keine Zwischen- und Endlagerungsmöglichkeit für diese plutoniumhaltigen Fässer gebe.
Am Ende der Veranstaltung wurde der Kieler Minister mit Löwenzahnmutationen beschenkt, die ihm ein Gärtner mit den Worten überreichte: „Die habe ich vor dem AKW Brokdorf gepflückt“. Mit nach Hause nehmen durfte er aber auch die Gewißheit, daß es weiterhin Blockaden, Polizeieinsätze und Gerichtsverfahren geben wird. Denn für den 6.September wird wieder zum monatlichen Protest aufgerufen. Jansen bot den BlockiererInnen an, daß sie auch mit Justizminister Klaus Klingner und mit Innenminister Hans-Peter Bull sprechen könnten - der Dialog soll weitergehen.
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