piwik no script img

Kressegärtlein und Video-Wasser

■ Die Breminale Kunst wird gelegentlich von Kindern unter Aufsicht antiautoritär erziehender Eltern kaputtgespielt und fristet ihr bildendes Dasein am restlos falschen Platz zwischen Festzelt und Bierstand

Das hatte er sich so schön ausgedacht, der neue Mann für die Bildende Kunst auf der Breminale, Jürgen Göpfrich. Einen eigenen Platz sollten die Kunstwerke bekommen, mit viel Luft drumherum für jedes einzelne, damit es inmitten des kulturellen Jahrmarkttreibens auch zur Wirkung käme. „Mitmachen“ wie im letzten Jahr sollten die BesucherInnen zwar auch, aber nicht durch persönliches Handanlegen, sondern durch geistige Tat, durch Schauen, Fühlen, Denken. Entsprechend hatte er die Arbeiten ausgesucht, vom stillen Kressegärtlein des Hinrich Sachs bis hin zu den Video -Wassern des Peter Dargel. Insgesamt elf KünstlerInnen aus dem Norden und Westen der Republik wählte er, deren ganz unterschiedlichen Arbeiten eines gemeinsam ist: die Auseinandersetzung mit der Natur, sei es

mit jener vom Menschen bis zur Zerstörung „kultivierten“ oder bis hin zur Beschwörung ursprünglicher Natur-Kräfte. Sprödes und Sinnliches präsentiert in Plakaten und Zeichnungen, in Video und Holz, in Neon und Stein, stille Bilder inmitten lautstarken Rummels, warum nicht?

Dann war der erste Breminale-Tag vorbei'und diese eher rhetorisch gedachte Frage erfuhr die entscheidende Änderung: warum doch? Die Antwort darauf wird noch lange diskutiert werden müssen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird sie nicht lauten: weil die BesucherInnen die Kunst wollen, brauchen, Lust dran haben. Im Gegenteil, ein Bummel übers Gelände legte den Verdacht nahe, hier sei die Kunst am falschen Platz. Was im Wortsinn auch stimmt, denn entgegen der ursprünglichen Pla

nung rücken Zelte, Spielaktionen und Thunfisch-Wohnwagen den Installationen von Susanne Ahner und Birgitta Weimer so nah an Balken und Stein, daß es kaum verwundert, wenn sie flugs als Spielzeuge erkannt wurden. Die Kinder eroberten sie im Sturm, wippten auf Balken, rutschten auf Segeln. Wer mag es ihnen verargen? Doch was ist mit den Eltern, die glücklich den unbefangenen Umgang ihrer Sprößlinge mit der Kunst belächelten? Eine Mutter lächelte so lange, bis der Nachwuchs endlich die Schwingstange im Ahner-Objekte zerbrochen hatte, der bis dahin frei in den Himmel schwebende Holzfinger hängt jetzt kläglich gen Boden. Inwieweit Kunstobjekte auf der Breminale sinnvoll sind, ist nicht leicht zu beantworten, mittendrin im Trubel sind sie es sicherlich nicht.

Mag auch der Platz „falsch“ sein, die Kunstwerke sind es nicht, ihre nähere Begutachtung lohnt sich. In voller Pracht und süßem Duft wird sich vermutlich erst am Sonntag das Beet des Hamburgers Hinrich Sachs präsentieren. Seit Wochen hegt er Petersilie und Kresse am Uferstreifen, trennt die Schrebergartenform durch einen Löffelzaun von der Unkrautwildnis. Ihn in

teressiert, wie der Mensch Stück für Stück der Natur abringt, die dann doch immer wieder in ihren eignenen Wildwuchs ausbricht. Bemerkenswert, daß dieses so bescheiden wirkende Kunstpflänzchen ganz besonders zum Nachdenken und Philosophieren anzuregen scheint.

Einer der reizvollsten Beiträge, die Baum-Lichtzeichnungen von Mike Rodemer(Aachen), lassen kaum ahnen, daß sie auf kritischer Beobachtung der Naturzerstörung beruhen. Je eine blaue, grüne und rote Neonröhre, gekrümmt wie ein Zweig, montierte Rodemer in drei Bäume am Osterdeich, höchst „einleuchtende“ Erinnerungen an die Notwendigkeit und Schönheit der Bäume.

Zwischen den Bäumen Plakatwände von M. Ponn, J. Möhlenkamp und F. Pusch, die kritisch-ironisch sein sollen, aber höchstens ein müdes Lächeln erreichen. Schwierig dürfte auch manchem die spröde Balkenkonstruktion von Susanne Ahner erscheinen. Von ihr sah man in Bremen schon Überzeugenderes, beim BREMINALE-Objekt lohnt sich eine Inspektion aus verschiedenen Blickwinkeln. Im Kontrast dazu der Steinkreis der Kölnerin Birgitta Weimer, dessen vier Fah

nen sich exakt in die Windrichtungen blähen. Übrigens eine Installation, die schon Bremer Kaufinteressenten gefunden hat.

Angst vor nassen Füßen hatte wohl die Musikhochschule bekommen und also findet die Video-Vorführung von Peter Dargel nicht wie vorgesehen in den heiligen Hallen, sondern in den volksnahen Räumen des Lagerhaus-Cafes statt. „Stille Wasser“ heißt sein Film, der ums Doppelte zu lang, ansonsten aber gar nicht wässrig, sondern erstaunlich erotisch ist mit brechender Wassergischt, die sich zusätzlich noch im Wasserbecken spiegelt. So still der Film, so laut das Cafe. Wer das Ganze außerhalb der offiziellen Vorführzeit (um 21 Uhr) in Ruhe erleben will, sollte sich bis 18 Uhr im Hal Över-Häuschen melden.

Der Kölner Tom Koesel, kürzlich in der Lehnstedter Straße mit Video-Arbeiten präsentiert, zeigt im „Ambiente“ Medienkritisches, diesmal gezeichnet. Video auch von den Bremerinnen Marikke Heinz-Hoek und Jorinde Burchard -Göckritz, kurz und bündig und nur am Freitagabend.

Breminale Kunst - das ist zwar ein Stiefkind, aber ein sehenswertes.

Beate Naß

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen